On Stage: WoMen at Work

Eine Modenschau der besonderen Art  ■ Von Petra Brändle

Cowboys in die Wüste, Arbeiterinnen und Arbeiter, vereinigt, auf den Laufsteg! Ein klarer Fall von insgeheim angepeiltem Imagewandel, die „Marlboro WorkWear Night“ Mitte Juli in Berlin. Der Glimmstengelkonzern besetzte für seine Malocher-Modenschau, ganz der naturgetreuen Umgebung verpflichtet, das Straßenbahndepot Friedrichshain und übte sich im Einsatz für benachteiligte Klassen in political correctness, um die nicht PC-adäquate Jesse-Holms-Connections vergessen zu machen. Wow! Innovation, Future, Creativity! Responsibility! Endlich: Die Mode auf dem Weg zum einfachen Volk, und der Kommerz zeigt Herz!

Eine mir grundsätzlich innewohnende Philanthropie hielt es für möglich, zukunftsweisende Inspirationen auf der „WorkWear Night“ erhaschen zu können. Ja, die Brutstätte der Zukunftsminister schien dafür geradezu prädestiniert zu sein. Und dann – Samstag abend im Arbeiterareal. Abends um neun, zu angekündigter Einlaßzeit, war eine Horde angereister Münchner Lackjoungsters mit der Ablauforganisation und der Beschallung zugange. Der Smartie mit dem Bauhelm auf dem Kopf hatte Mühe, die spärlich Eintreffenden zu erkennen, der Helm hing ihm zu schief über die Augen. Trotzdem schaffte er es noch, ein Rubbelgewinnspiel zu verteilen, bevor die Verkaufsstände in der Eingangshalle lockten. Die Arbeiterhose schlechthin, die Bluejeans, war in unzähligen Ausführungen zu bestaunen, ansonsten gab es lustig bedruckte T-Shirts und ein paar Käppis, alles Schnee von gestern. Das Rauchen war netterweise in einigen Arealen untersagt. Dennoch: Bereits hier war man von der aufgeblasenen „Nullmeldung“ der menschenleeren Veranstaltung genervt.

Dazu wummerte pausenlos ein mittelmäßiger Technosound, der zwar einen hohen Reizwert hatte, zum Tanz jedoch ungefähr so reizte wie der Berliner Baustellenlärm. Als Gipfel der Geduldsprobe zog sich der Showbeginn hin und hin, bis die Wuthormone um den Siedepunkt kreisten – da half auch der eingezäunte Arbeiter an der Flex nicht. Pünktlich wie die Handwerker waren ihre modischen Adepten jedenfalls nicht. Schon nach der ersten Runde zeigte sich dann, daß sie generell sehr wenig mit ihren Namensgenossen gemein hatten. Blitzeblank mit Ölschlieren, blauen Augen und Sommersprossen von der Maskenbildnerin trugen sie ihren ganz frech gebügelten Oversized-Look, die schweren Stiefel glänzten knitterfrei, geblümte Arbeiterhandschuhe vom Designertisch wippten frisch aus fröhlichen Taschen. Ganz bequem: die Jeans. Sie hing bis ins Knie, so daß kaum ein vernünftiger Schritt getan werden konnte, ohne den Unterkörper völlig bloßzustellen. Der Latz baumelte runter, die losen Träger: ein Affront gegen jegliche gewerkschaftliche Sicherheitsnorm. In Grau, Grün, Braun und kackfarben wirbelten die Arbeiterinnen und Arbeiter über den Laufsteg, ausgestattet mit prähistorischen Eisenknochen und Knieschonern. Höchstens der Friesennerz und die Gummistiefel durften gelb, die Straßenarbeiterjacke gar orange blinken. Ja, ja, so sieht sie aus, die arbeitende Klasse: Bommel und Pomade im Haar, Breitcord und Moonboots an Bein und Fuß.

Sexyhexy schleuderten schließlich die Mädels ihre sportbedreßten Hüften über den Laufsteg oder hüllten sich mädchenhaft in den College-Look (besonders workmäßig), die eisenharten Asphalttrampel erschütterten mit nackten Oberkörpern, bis der Feuerspucker Funken hauchte.

So also sieht es aus, wenn der Kommerz Zeichen setzt: Faul kopieren die Verantwortlichen, was seit Jahr und Tag in Clubs und Raverkreisen Common sense ist. Dann blasen sie das Ganze mit einem weit hergeholten Motto zum richtungweisenden Fakt der Zukunft auf... Wie sagt der Handwerker so schön? „Schuster, bleib bei deinen Leisten.“ Petra Brändle