Schneiders Schuldenberg wächst und wächst

■ Neue Forderungen der Gläubiger / Ist der Baulöwe in der Schweiz?

Frankfurt/Main (taz) – „Kennen Sie Dr. Jürgen Schneider?“ „Flüchtig!“ Der Kalauer, der seit dem Verschwinden des Bauunternehmers Jürgen Schneider und seiner Ehefrau Claudia Schneider- Granzow in Bankerkreisen kursiert, wurde vor zwei Tagen aktualisiert. Kreiert wurde die neue Variante von den Konkursverwaltern der Schneider AG und der Schneider GbR, Bernhard Hembach und Gerhard Walter: „Kennen Sie das wahre Ausmaß der bestehenden Forderungen gegen Schneider?“ „Flüchtig!“

Der Schuldenberg des Baulöwen stellt sich als viel größer heraus, als zunächst angenommen. Während Hembach und Walter auf der ersten Gläubigerversammlung am 17. Mai in Königstein noch von rund 4 Milliarden Mark sprachen, mit denen das Ehepaar Schneider bei Banken, Handwerksbetrieben und anderen Gläubigern in der Kreide stehe, gab das Amtsgericht in Königstein vor zwei Tagen die Höhe des Verbindlichkeiten mit rund 7 Milliarden Mark an. Ob es dabei bleibt, wollte der Amtsrichter noch nicht festlegen: Die Konkursverwalter haben ihre Recherchearbeiten noch immer nicht zum Abschluß gebracht.

Mit der Ausschlachtung des Privatvermögens von Schneider und seiner Frau, so Konkursverwalter Walter, seien dagegen bereits vier Banken „voll befriedigt“ worden. Für rund 90 verbliebene Immobilienobjekte der Schneider GbR werden noch Käufer oder übernahmebereite Gläubiger gesucht. Vom ohnehin mageren Anlagevermögen der Schneider AG steht offenbar inzwischen nur noch ein Mercedes 600 SEL auf dem Firmengelände. Den wollten sich, so berichten Insider, einige Gläubiger schon unter den Nagel reißen – ohne die Entscheidung des Konkursverwalters abzuwarten.

Eine eher abwartende Haltung hat dagegen die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main eingenommen. Die mit dem Fall Schneider betraute Oberstaatsanwältin Becker-Toussaint machte vor allem dadurch von sich reden, daß sie vor laufenden Fernsehkameras mit Verve in Schneiders Lieblingsspeise, eine Mettwurst, biß. Auch Oberstaatsanwalt Harth wartet offenbar gelassen darauf, daß der aus dem Immobilienzirkus ausgebrochene Baulöwe zurückkommt. Einen Deal mit Schneider und seinen Anwälten – Haftverschonung bei freiwilliger Rückkehr – werde es nicht geben, sagte Harth schon vor Wochenfrist.

Daß es Schneider und seine Frau, ein bisher gutbürgerlich lebendes Paar, nicht lange im „Untergrund“ aushalten werden, glauben auch Bekannte der beiden. Nach einer von der Staatsanwaltschaft noch nicht bestätigten Meldung, soll sich der kranke Schneider vor gut einem Monat „inkognito“ in eine Klinik am Genfer See in Behandlung begeben haben. Zudem soll Schneider versucht haben, an Gelder auf seinen gesperrten Konten in der Schweiz heranzukommen. Klaus-Peter Klingelschmitt