Die Mehrkosten amortisieren sich schon in zwölf Jahren

■ In Handewitt bei Flensburg steht Schleswig-Holsteins erstes „Total-Null-Energie-Haus“ / Kommunale Vorschriftenwut über Stellung und Dachneigung von Häusern behindert sonnenorientiertes Bauen

Allein Sonne und Wind bringen die Waschmaschine und den Geschirrspüler auf Touren, versorgen den Kühlschrank, lassen Computer rechnen, die Hifi-Anlage dröhnen und speisen dazu noch die Antriebsbatterien von zwei spritlosen Pkw: Schleswig-Holsteins erstes und einziges “Total-Null-Energie-Haus“ – ein vom öffentlichen Stromnetz völlig unabhängiges Gebäude – steht in Handewitt (Kreis Schleswig-Flensburg). Das energiemäßig selbständige Haus mit fast 200 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche ist gleichzeitig Paradebeispiel und Demonstrationsobjekt für ökologisches Bauen.

Der Energieplaner und Ingenieur Kai Lippert hat sein Haus, mit dem er auf Erdöl, Kohle und Atomkraft verzichtet, ohne staatliche Hilfe als Anbau eines 100 Jahre alten früheren Bahnwärterhäuschens errichtet. Der danebenstehende, fast unscheinbare Windgenerator und die als Bauteile verwendeten Solarzellen erzeugen insgesamt 3000 Kilowattstunden (kWh) Strom jährlich, berichtet der 30jährige. Etwa die Hälfte der Energie wird im Haus verwertet, der andere Teil für die Elektroautos. „Wir müssen auf keinerlei Komfort verzichten“, sagt Lippert, der mit Frau und Kind vom Sonnen-Wind-Strom lebt und damit zudem die Geräte in Büro und Werkstatt betreibt.

Lippert ist einer der rund 60 Selbständigen in Deutschland, die über Produktion und Einsatz von Wind- und Sonnenenergie beraten. Täglich durchschnittlich fünf Interessenten – viele davon aus dem benachbarten Dänemark – besichtigen sein ehrgeiziges Vorzeigeprojekt, das in diesen Tagen die offizielle Bauabnahme bestand. Das Haus hat einen Energiekennwert von weniger als 20 kWh pro Quadratmeter und Jahr, was etwa 40 Prozent des Verbrauchs eines modernen Niedrig-Energiehauses und nur zehn Prozent eines konventionell gebauten Hauses sind.

Der Minimalwert wird unter anderem durch kompakte Bauweise, Wärmeschutzverglasung und passive Sonnennutzung (optimale Hausausrichtung, große Südfenster etc.) erreicht. Die aktive Ausnutzung der Sonnenenergie geschieht über 16 Quadratmeter Hochleistungs-Kollektoren für Zentralheizung und Brauchwassersystem. Gleichfalls Solarzellen und die Windkraftanlage decken den Strombedarf. Elektrizitätsspeicher ist ein Batteriesatz, der jahrelang störungsfrei arbeitet. „Dieses System bietet uns hundertprozentige Versorgungssicherheit auch im tiefsten Winter“, sagt Ingenieur Lippert.

Die Mehrkosten eines autarken Energiehauses von rund 50 Prozent gegenüber einem völlig konventionellen Haus amortisieren sich in rund zwölf Jahren, schätzt der Experte. „Aber leider ist das Umweltbewußtsein noch immer nicht weit genug, Tschernobyl scheint vergessen zu sein“, klagt Lippert allein über den bisher sehr schleppenden Einsatz von Photozellen, sprich die Sonnenenergie. Es mangele zudem an breiter, praxisnaher Information über solche Möglichkeiten und öffentlicher Unterstützung.

Allein die meisten kommunalen Bebauungspläne, die Stellung und Dachneigung von Häusern vorschreiben, verhinderten in Deutschland das sonnenorientierte Häuslebauen. Viel weiter mit der Anwendung seien US-Amerikaner, Japaner, die Griechen und selbst die weniger sonnenverwöhnten Schweden und Dänen.

Friedhelm Caspari, dpa