Eine Hundemarke für ausländische Sklaven Von Ralf Sotscheck

Die Sklaverei wurde in Großbritannien offiziell Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft. Vor 15 Jahren wurde sie schrittweise wieder eingeführt – diesmal inoffiziell. Das Parlament verabschiedete damals eine kleine Gesetzesänderung mit großer Wirkung: Hausangestellte von reichen ausländischen Familien, die sich in Großbritannien niederließen, erhielten fortan keine Arbeitserlaubnis mehr. Dadurch wurden sie über Nacht zu Leibeigenen. Bei Mißhandlung durch den „Arbeitgeber“ können sie sich zwar nach wie vor an ein Gericht wenden – allerdings nur in ihren Heimatländern.

Britische Gerichte fühlen sich erst dann zuständig, wenn ein Sklave seinem Besitzer davonläuft. Dann wird er nämlich automatisch zum illegalen Immigranten, gegen den die Gerichte gnadenlos vorgehen: Wer geschnappt wird, muß die Insel verlassen. Das Gesetz wurde damals geändert, weil man die ungelernten Kindermädchen, Hausdiener und KöchInnen am liebsten gar nicht erst ins Königreich hineinlassen wollte, es deren reichen Herrschaften – die natürlich höchst willkommen waren – aber nicht zumuten konnte, ohne billiges Personal den britischen Alltag zu bewältigen. So verwandelte das Parlament die Hausangestellten kurzerhand in Reisegepäck.

Die West-Londoner Hilfsorganisation „Kalayan“, die 1987 gegründet wurde, ist der Meinung, daß Großbritannien gegen die Hälfte der 30 Artikel in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen verstößt – und es wird immer schlimmer. Jedesmal, wenn das Gesetz von 1979 zu laut kritisiert wurde, überarbeiteten die Tories es. Mit jeder neuen Version verloren die ausländischen Hausangestellten aber weitere Rechte. Jetzt stempeln die Behörden einen Vermerk in den Sklavenpaß hinein, wonach der Inhaber weder bezahlte noch unbezahlte Arbeit annehmen dürfe. Ein zweiter Stempel sorgt für klare Verhältnisse: „Der Paßinhaber begleitet seinen Arbeitgeber.“ Eine Hundemarke würde denselben Zweck erfüllen.

Für die Sklavenhalter beginnen nach ihrer Ankunft in Großbritannien paradiesische Zeiten: Sie können ihren Angestellten beliebige Arbeiten zuweisen. „Zu Hause in Kuwait hütet das Kindermädchen die Kinder“, sagt Hamit Dardagan von Kalayan. „Hier in Großbritannien muß sie plötzlich auch kochen, waschen und putzen, weil die Auswanderer-Familie im Normalfall nur eine begrenzte Zahl von Bediensteten mitbringt.“ Viele Hausangestellte dürfen nie das Haus verlassen und müssen auf dem Fußboden schlafen. Damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen, zahlen die „Arbeitgeber“ meist nur unregelmäßig und beschlagnahmen oft auch die Reisepässe.

Krank werden dürfen die Leibeigenen nicht, denn ein Arztbesuch kostet Geld – und die Besitzer scheuen diese „Reparaturkosten“. Der Regierung ist das egal, denn es geht dabei ja nicht um Wahlstimmen. Auch Kalayan kann den ausländischen Sklaven nicht helfen, sondern sie lediglich über ihre Lage informieren. Die Organisation hat ein Informationsblatt veröffentlicht. „Je besser die Hausangestellten das Blatt verstehen“, sagt Dardagan pessimistisch, „desto klarer wird ihnen, daß sie eigentlich überhaupt keine Rechte in diesem Land haben.“