Koschnick interessiert die Kroaten nicht

Als der frühere Bremer Bürgermeister am Samstag in sein Amt als Administrator der herzegowinischen Hauptstadt Mostar eingeführt wurde, zeigten nur die Muslime Interesse  ■ Aus Mostar Erich Rathfelder

Diese Szene allein wäre die Reise nach Mostar wert gewesen. Als Bundesaußenminister Klaus Kinkel angesichts der auf ihn gerichteten Kameras festen Schrittes auf die wackelige Behelfsbrücke trat, folgte ihm kein anderer als der kroatische Präsident Franjo Tudjman auf dem Fuß. Die unsicheren Schritte des Kroaten zeigten nicht nur an, daß über eine wackelige Hängebrücke zu gehen nicht jedermanns Sache ist. Tudjman mochte zudem spüren, daß sich hier in Mostar ein weiterer Abgrund vor ihm auftat. Denn auch auf festem Boden mußte er die Kluft zur Kenntnis nehmen, die sich zwischen den muslimischen und den kroatischen Bewohnern Mostars entwickelt hat. Die vor der Kulisse der Ruinen im Ostteil der Stadt skandierten Rufe, „jetzt siehst du, was du hier angerichtet hast“, werden ihm noch lange in den Ohren klingen. Denn sie erinnerten ihn daran, daß er es war, der im April 1993 den westherzegowinischen kroatischen Extremisten grünes Licht für den Angriff auf die Muslime Mostars gegeben hatte.

Um so mehr sei es anzuerkennen, daß Kroatiens Präsident sich auf dieses unsichere Terrain wagte, erklärte später der Mann, um den es bei dem Spektakel am Samstag in Mostar vor allem ging. Denn für den früheren Bremer Bürgermeister Hans Koschnick ist die Aussöhnung zwischen dem kroatischen und dem muslimischen Bevölkerungsteil das wichtigste Anliegen. Die neu zu bauenden Brücken sollten aber nicht nur diesen beiden Gruppen offenstehen, auch die ehemaligen serbischen Bewohner der Stadt müßten hier ihren Platz wieder finden können.

Doch schon die Antwort des Präsidenten der kroatisch-bosnischen Föderation, Kresimir Zubak, ließ solche Hoffnungen etwas kleiner werden. Zubak machte deutlich, daß ein Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen nicht mehr einfach durch ein Amalgam zu erreichen sei. Seine Politik richte sich auf konkrete Verhandlungen. Deutlich wurde, daß die Herrschaftselite der Kroaten nicht gewillt ist, Machtpositionen zu räumen, auch nicht gegenüber einer EU-Administration.

Daß diese Haltung nicht nur bei den kroatischen Politikern zu finden ist, zeigte die kroatische Bevölkerung auf ihre Weise. Kaum jemand der rund 30.000 Bewohner des Westteils der Stadt nahm von dem Spektakel um die Einführung Koschnicks Notiz. Und so wird es die kroatisch-bosnische Führung um Zubak und den jetzigen Verteidigungsminister der Föderation, Jadranko Prlić, schwer haben, den neuen Kurs der Zusammenarbeit mit den Muslimen gegenüber ihrer Basis durchzusetzen. Daß nun in der Führung der HDZ, der alleinherrschenden Partei, rechtsradikale Extremisten sitzen, daß das kriminelle Milieu, das über den Krieg gestärkt wurde, sogar Morddrohungen gegenüber den Moderaten ausspricht, daß manche Sektoren der Militärpolizei und der Militärorganisation HVO nach wie vor im Westteil verbliebene Muslime terrorisieren, blieb unausgesprochen. Doch jeder Teilnehmer der Veranstaltung wußte es.

Im Ostteil der Stadt dagegen schwappten nicht nur bei Tudjmans Kommen die Emotionen über. Sprechchöre bejubelten den bosnisch-herzegowinischen Präsidenten Alija Izetbegović, der hier so populär wie nie zuvor zu sein scheint. Auch der freundliche bis enthusiastische Beifall für Koschnick und den deutschen Außenminister machte deutlich, daß sich die über 55.000 Bewohner Ost-Mostars von dem Engagement der Deutschen viel versprechen. Noch ist ja die Stadt nicht einmal geöffnet, noch hängen die Bewohner am Tropf der internationalen Hilfe. Und so steckt im Jubel für die beiden deutschen Politiker auch die Hoffnung, es möge ihnen gelingen, die kroatische Seite zu weiteren Konzessionen zu bewegen. „Jetzt haben die Deutschen Verantwortung übernommen, jetzt stecken sie mit im Spiel“, sagten viele Bürger.

Immerhin, einige Fortschritte sind seit Beginn des Waffenstillstandes Ende Februar und der Arbeit der Voraustruppe der Administration zu sehen. Auch im Ostteil fließt nun, wenn auch nur stundenweise, Wasser, es gibt Strom, und es gibt genug zu essen. Aufräumarbeiten haben begonnen, Schutt und Müll sind aus den von Ruinen gesäumten Straßen verschwunden. Und auch das Militär ist aus beiden Seiten der Stadt abgezogen. Der bosnischen Armee ist es jedoch erlaubt, die Stellungen an der nahen Front zu halten. „Eine völlige Entwaffnung durchzuführen ist jedoch nicht möglich“, schränkte selbst Koschnick ein. Und auch die Bestrafung der Kriegsverbrecher sei vorerst noch nicht möglich. „Dies bleibt der Justiz beider Teile vorbehalten.“ Jetzt gehe es erst einmal darum, die 30 Millionen Ecu sinnvoll auszugeben: „Wir reparieren in den nächsten Wochen die Dächer, denn der nächste Winter kommt bestimmt, Schulen und Sozialeinrichtungen werden ab sofort renoviert. Dann werden wir weitersehen.“ Und dafür hat er die Unterstützung aller Seiten.