Fahnder auf Berlusconis Fährte

Italiens Ermittler haben viel zu tun / Hohe Finanzbeamte und Manager unter Korruptionsverdacht / Darunter auch Mitarbeiter aus Silvio Berlusconis Imperium und sein Bruder  ■ Aus Rom Werner Raith

Keine Sommerpause für Italiens Untersuchungsrichter: Nachdem das Freilassungsdekret der Regierung Berlusconi zu Fall gebracht wurde und die schnell aus dem Knast herausgeholten Häftlinge wieder eingesperrt oder unter Hausarrest gestellt sind, haben die Ermittler Eile, ihre Strafverfahren wegen Korruptionsdelikten durchzuziehen. Sie fürchten, daß die Regierung in Rom noch weitere Manöver zur Aushebelung der Verfahren plant.

Bei den letzten Ermittlungen ergaben sich erneut Zusammenhänge, die auch Regierungschef Berlusconi selbst in Schwierigkeiten bringen können. Neben einer Anzahl hoher Manager von Tochterfirmen des Fiat-Konzerns und der größten Privatbank Mediobanca werden auch zwei Leiter von Firmen, die zu Berlusconis Superholdung Fininvest gehören, steckbrieflich gesucht. Zudem hat auch Berlusconis Bruder Paolo neue Anschuldigungen am Hals. Er soll hohe Finanzbeamte bestochen haben, damit sie angesichts gefälschter Bilanzen ein Auge zudrücken.

Auch die Guardia di finanza, eine uniformierte und schwerbewaffnete Truppe mit umfangreichen Kompetenzen von der Kontrolle von Steuererklärungen bis zur Zollprüfung, ist in den letzten Tagen in Bedrängnis geraten: Mehrere Dutzend Offiziere, darunter auch Generäle, wurden unter dem Verdacht der Bestechlichkeit festgenommen; drei von ihnen haben inzwischen im Gefängnis Selbstmord begangen.

Im gesamten Land sind die Ermittler eifrig zugange: In Catania wurden der ehemalige Regionalpräsident (vergleichbar etwa einem bundesdeutschen Ministerpräsidenten einer Landesregierung) Rino Nicolosi, ein Christdemokrat, und der frühere sozialistische Verteidigungsminister, Salvo Ando, festgenommen – sie sollen sich bei diversen öffentlichen Bauaufträgen gesundgestoßen haben.

In der Regierung herrscht inzwischen hektische Aktivität. Berlusconi versucht seine durch die Rücknahme des Freilassungsdekrets erlittene Schlappe so schnell wie möglich wettzumachen. In seinen Medien werden die auf 3,5 Prozent gefallene Inflation und die Ankündigung von einigen tausend neuen Arbeitsplätzen seitens größerer Unternehmen als Beweis für den bereits eingetretenen „Berlusconi-Effekt“ verkauft. Der Erfolg bei den Bürgern ist allerdings mäßig. Umfragen haben ergeben, daß die Popularität Berlusconis auf weniger als 40 Prozent abgesunken ist (von zeitweise über 60 Prozent). Die Mehrheit der Bevölkerung verlangt unumwunden eine „bessere Kontrolle der Regierung durch das Parlament“ – genau das, was Berlusconi seit Monaten durch seine Lautsprecher als absolut nicht mehr zeitgemäß denunzieren läßt.

Berlusconis Manager arbeiten derzeit Krisenpläne für den Fall aus, daß sich die Ermittler respektlos doch noch bis in die geheiligten Hallen des Regierungschefs selbst vorarbeiten sollten: dann wird ein gigantischer Propagandaapparat anlaufen, der Ermittlungen als „reine Rache der Staatsanwälte für das Dekret“ abqualifiziert.

Nicht allen Mitarbeitern des Regierungschefs ist dabei wohl zumute: „Von allen guten Geistern verlassen“, wütete einer der engsten Berater des Ministerpräsidenten, nachdem Regierungssprecher Ferrara die beabsichtigte Strategie erkennen ließ: „Denunzieren wir die Aktion als Rache für das Dekret, geben wir doch implizit zu, daß die Leute wirklich recht hatten, Behinderungen ihrer Arbeit anzuprangern, während wir stets behauptet haben, ihnen helfen zu wollen.“

Wie Berlusconi sich auch verhalten mag, „eines hat er sich gründlich verpatzt“, wie süffisant la Repubblica anmerkt: „Das unkontrollierte Schalten und Walten in der Sommerpause, wie sich das frühere Regierungen leisten konnten, ist perdu. Er wird jetzt erst mal umdenken müssen – keine Dekrete erlassen, sondern verhandeln.“ Genau das, was ihm am schwersten fällt.