: Behutsamer Beton
■ Zoff um eine Kriegsruine: Mutwillige Zerstörung oder notwendige Substanzuntersuchung? Von Kai v. Appen
Rabiate Methoden zur Durchsetzung eines Neubaus? Oder weltfremde Renitenz, durch die Wohnungsneubau verhindert wird? Seit drei Jahren haben Pächter Hans-Jürgen Schneider und Besitzer Ronald Lotz Zoff um die Kriegsruine Schumacherstraße 63. Nun droht dem Pächter endgültig die Räumung.
Schneider gilt im Viertel als Unikum. 1965 war der jetzt 63jährige in das im Krieg bis auf den ersten Stock zerstörte und dann notdürftig geflickte Gebäude eingezogen. Er erhielt vom Besitzer einen Pachtvertrag bis 1999. Doch als der Eigentümer starb, verkaufte die Erbengemeinschaft das Haus an Ronald Lotz jr., Sohn eines Kneipiers. Mehrfach versuchte der seither vergeblich, seinen Pächter durch Vergleich zum Auszug zu bewegen, um auf dem Areal eine Kneipe und vier Wohngeschosse zu bauen.
1992 eskalierte der Streit: Plötzlich standen kräftige Männer auf dem Dach des Hauses und hämmerten dicke Löcher ins Gebälk. Schneider sprach von mutwilliger Zerstörung, Lotz von notwendiger Substanzuntersuchung von außen, weil Schneider den Zutritt verwehrte. Wenige Stunden später stellten Mitarbeiter des Altonaer Bauamts fest, die Dachkonstruktion sei „verfault“.
Über eine Klage gelang es zwar Schneider, den Besitzer zur Instandsetzung der Holzdachkonstruktion zu verdonnern. Doch nur wenige Tage nach dem Richterspruch bekam Lotz von den Behörden die Genehmigung, auf die Außenmauern ein schweres Betondach setzen zu dürfen. Schneider-Anwalt Andreas Borek zeigte sich über diesen raschen Verwaltungsakt überrascht: „Normalerweise werden für solchen Baumaßnahmen statische Gutachten verlangt.“ Das Bauamt Altona findet nichts Bedenkliches an seinem Vorgehen. Der Sachbearbeiter: „Das war damals so berechnet worden.“
Als im Juli 1993 Bagger anrückten, um das Dach abzureißen, passierte es: Eine Außenwand drohte im Zuge der Baumaßnahme auf eine benachbarte Baustelle abzusacken. Flugs war das Bauamt wieder zur Stelle und erklärte das Haus für „einsturzgefährdet“. Über das Amtsgericht ließ Schneider die Arbeiten abermals stoppen - Begründung: „Klammheimlicher Abriß“. Doch das wird von Lotzes Anwalt Malte N. Jaeger entschieden dementiert: „Ich war selbst dabei, als das Dach behutsam abgehoben wurde. Wenn man so etwas gewollt hätte, wäre man einfach mit dem Bagger gegen die Außenwand gefahren.“ Entscheidend sei gewesen, daß wider Erwarten die Statik nicht mitgespielt habe. Jaeger: „Die Außenmauern sahen eigentlich gut aus. Die Betondecke sollte die Basis dafür sein, das Gebäude später wieder auf vier Geschosse aufstocken zu können.“
Seither rottet die Ruine „unbewohnbar“ vor sich hin, tagsüber darf Schneider die Kellerräume als Lager nutzen. Jaeger: „Herr Schneider zahlt keine Miete, klebt aber an seinem Pachtverhältnis.“ Die Einsturzgefahr ist mittlerweile durch einen seitlichen Neubau gebannt.
Die Chancen für Schneider stehen schlecht. In einem gegen Schneider anhängigen Räumungsverfahren hat das Altonaer Amtsgericht nämlich gegenüber Anwalt Borek bereits angedeutet, daß Lotz eine Instandsetzung wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten sei. Boreks Kritik: „Es ist bislang nicht geprüft worden, ob durch die Dachbeschädigungen ein Eigenverschulden des Besitzers vorliegt.“
Zunächst rollt der Zug weiter: Inzwischen ist die Abrißgenehmigung erteilt worden. Das Bezirksamt unverhohlen: „Alles weitere ist eine zivilrechtliche Angelegenheit. Ein Neubau durch Lückenbebauung ist in unserem Interesse.“ Jaeger konstatiert: „Er hat uns nur Steine in den Weg gelegt, die wir alle haben gerichtlich haben wegräumen lassen. Wir hoffen, daß das Grundstück nun sinnvoll genutzt werden kann.“ Schneiders Anwalt Borek ist im Prinzip der gleichen Auffassung: „Ich finde es nur einfach nicht in Ordnung, dem Mieter das Dach über den Kopf einzuschlagen.“
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