,Die packen die Hitze nicht'

■ Bremer Sommer: Im Wollpullover in den Hitzschlag / Kriegen Schweine Sonnenbrand?

Jochen Killing, Leiter der Liegendaufnahme im Krankenhaus Ost, redet bei großer Hitze sehr schnell, so viel ist zu tun: Zum Beispiel jene alte Frau ist zu versorgen, die trotz Hitze im Wollpullover rumlief, irgendwann auf einer Wiese umkippte und dann mehrere Stunden in der Sonne lag. Jetzt liegt sie mit großflächigen Verbrennungen auf der Intensivstation. Dann die vielen Lungenkranken, die sich, von Atemnot gebeutelt, in die Aufnahme schleppen. „Das sind derzeit auffällig mehr Leute – wegen des Ozons“, sagt Jochen Killing.

In der Liegendaufnahme werden außerdem PsychiatriepatientInnen versorgt. Auch ihre Zahl ist mit der Hitze gestiegen. Manchmal steigen die Leute auf den Tisch und schreien, daß sie die Hitze nicht mehr aushalten, erzählt Jochen Killing. „Die Leute sind gereizt, die Bremer Bevölkerung packt die Hitze einfach nicht.“ Dazu kommen noch die AlkoholpatientInnen – bei Hitze wirkt der Alkohol schneller, weil das Blut schneller durch den Körper transportiert wird.

Dabei halten es die Leute sonst in der Sauna auch noch bei 80 Grad aus – obwohl die Eiweißgerinnungsgrenze bei ungefähr 56 Grad liegt. Das Problem ist eben nicht die kurze Hitze, sagt Gert Schöfer, ärztlicher Referent beim Gesundheitssenator, gefährlich wird es erst dann, wenn der Köper eine längere Zeit hindurch für Temperaturausgleich sorgen muß. Das Herz muß mehr pumpen, damit möglichst viel Blut in den Adern in Hautnähe gekühlt wird. Ja gekühlt. Denn durch das Verdunsten des Schweißes wird dem Körper Hitze entzogen, die Haut zeigt dann die sogenannte „Verdunstungskühle“. Manchmal schafft das Herz diese Anstrengung nicht mehr: Hitzschlag. Die PatientInnen werden ohnmächtig, sind rot am ganzen Körper und fühlen sich deutlich heiß an. Luft zufächeln oder Wasser drüberschütten!

Um den Kühlungsmechanismus, das Schwitzen also, anzukurbeln, sollte man möglichst vier Liter am Tag trinken, rät der Arzt Gert Schöfer. Der Körper soll schließlich nur seine fließende Flüssigkeit ausschwitzen und nicht die Flüssigkeit, die zum Beispiel in Zellen gebunden ist.

Der Arzt selbst trinkt nicht nur viel, er läßt sich außerdem von einem Tischventilator Luft zuwirbeln. Hat er Glück gehabt, Ventilatoren sind nämlich rar geworden in den Geschäften. Bei Brinkmann zum Beispiel ging gestern gegen 13 Uhr der ultimativ letzte Ventilator unter 200 Mark über den Ladentisch. Ein ÖTV-Angestellter trug ihn von dannen. Kleine Tischventilatoren unter 50 Mark gibt es fast nirgendwo mehr.

Wer stattdessen gestern mittag an Bremens wenigen öffentlichen Brunnen Kühlung suchte, wurde meist enttäuscht: Der Gezeitenbrunnen an der Ecke Obernstraße/Piperstraße tröpftelte nur schwach. Und der Neptunbrunnen auf dem Dosmhof wurde gerade seiner wöchentlichen Reinigung unterzogen. Als er dann endlich wieder sprühte, zeigte sich die ganze Gemeinheit: Wer die Füße ins Wasser baumeln lassen will, muß sich auf die unterste Stufe setzen, dorthin, wo man sich unter Garantie einen nassen Hintern holt. Wer eine Stufe darüber sitzt, hat nichts vom Wasser.

So richtig angenehm war es gestern dagegen bei Karstadt, mitten im Sommerschlußverkaufsgewühl. Doch! Schon in der Eingangsschleuse empfing einen kühles Gebläse, auf den Rolltreppen zog es geradezu. So sehr, daß eine in die Kantine fahrende Verkäuferin die Arme verschränkte über dem Häkel-Hemdchen und „Scheiß Klimaanlage“ maulte.

Immer noch besser, als wie so mancher Hund im Auto eingesperrt zu sein. Amtstierarzt Jan-Hendrik Brand weiß, daß jedes Jahr wieder eine Reihe Bußgelder verhängt werden müssen, weil die Leute die Fenster nicht weit genug runtergekurbelt haben.

Auch Pferde und Kühe hättens gern kühl und schattig, doch im Blockland müssen sie es auf so mancher völlig baumlosen Weide aushalten. „Trotzdem ist da noch nie was passiert“, sagt Amtstierarzt Brand, „obwohl die Tiere sicher leiden unter der Wärme“. Schweine allerdings sollte man bei diesem Wetter keinesfalls rausjagen, die holen sich nämlich schnell einen Sonnenbrand. Christine Holch