Krumme Taktik bei Hunte-Begradigung

■ Umweltverbände fordern Planungsstop und Personalkontrolle bei Schiffahrtsbehörden

Die Hunte soll schneller und tiefer werden. Das seit Ende –93 laufende Planfeststellungsverfahren sieht den Ausbau der Bundeswasserstraße von Oldenburg bis zur Mündung in die Weser vor. Nach Planung des Wasser- und Schifffahrtsamtes sollen fünf Kurven begradigt, zwei Engstellen beseitigt, zwei Liegestellen eingerichtet und die Sohle auf bis zu 1,7 Meter vertieft werden. Das 30 bis 40 Millionen Mark teure Bauvorhaben aber ist nach Meinung des BUND und des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) „ein Fall für den Bundesrechnungshof“:

Schon 1988 wurde, was Voraussetzung ist, damit ein Projekt überhaupt in den Verkehrswegeplan des Bundesverkehrsministeriums aufgenommen und damit eine Finanzierung sichergestellt wird, eine Kosten-Nutzenanalyse errechnet. Offizieller Auftraggeber für dieses Gutachten ist die Stadt Oldenburg, die schon in den 70ern ein massives Interesse am Ausbau der Hunte angemeldet hatte. Daß im Gutachten selbst die Raiffeisenzentralgenossenschaft, die als einer der größten Futtermitteltransporteure auch einer der größten Nutznießer des Erweiterungsbaus wäre, als Auftrageber ausgewiesen ist, mag einmal mehr darauf hindeuten, daß sich die Ausbauplaner vom Gutachten einiges versprochen hatten.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Das Gutachten, wie bei vergleichbaren Großprojekten durch die Essener Firma Planco erstellt, kam zu dem Ergebnis, „daß der Ausbau zwar technisch wünschenswert, aber wirtschaftlich nicht notwendig sei.“ So jedenfalls interpretieren BUND und NABU die Kosten-Nutzen-Analyse (KNA), und können sich nun auch erklären, warum „die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung die Einsichtnahme (duch die Umweltverbände, die Red.) um jeden Preis zu verhindern versuchte“. Erst mit Hilfe des Bundesverkehrsministers gelang es den UmweltschützerInnen, das Gutachten im März diesen Jahres für vier Wochen einzusehen.

Das Gutachten, konstatieren die BUND-ler Sönke Hoffmann und Martin Rode, leuchtet „drei Kardinalfehler“ der bisherigen Planungen aus: Die Begradigung der Hunte sei überflüssig, da laut KNA „lediglich für Werftschiffe mit B=20 ein Mindestradius von 600 m wirklich erforderlich ist.“ Schiffe mit über 12 Metern Breite müssen allerdings selbst nach Ausbau in Einbahnstraßenregelung und mit Sondergenehmigung fahren, was wiederum dem derzeitigen Verfahren entspricht. Auch die bisherige Begründung des Ausbaus mit drohenden Arbeitsplatzverlusten im Oldenburger Hafen ist nach der KNA hinfällig. Das Gutachten bewertet eine Verlagerung im Getreide- und Futtermittelbereich (rund 90 % des Seeschiffsverkehrs) in die Konkurrenzhäfen Papenburg und Leer als „eher unwahrscheinlich“, da beide Häfen kein Kraftfutterwerk haben und verkehrsgünstig zu den Hauptabnehmern in Vechta und Cloppenburg liegen. Daß ohne Hunteausbau in Oldenburg die Lichter ausgehen, ist also schon wegen mangelnder Hafenkonkurrenz eine unsachgemnäße Verknüpfung. Darüber hinaus nahm der Schiffsverkehr ohnehin von 1985 bis 1989 um über 55% ab und erholt sich seitdem nur langsam. Die KNA prognostiziert für den Seeschiffsverkehr im Getreide- und Futtermittelbereich weitere Rückgänge analog zu den EG-Überschüssen.

„Das Nutzen-Kosten-Verhältnis“, urteilen die UmweltschützerInnen, „erreicht in keiner der wirtschaftlich geprüften Varianten die vom Bundesverkehrsminister vorgegebene Untergrenze von dreimal höherem Nutzen als Kosten, damit eine Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan erfolgen kann. Unklar bleibt, wie die Ausbauplaner dies trotzdem erreichen konnten.“

Eine Anfrage der taz beim Verkehrsministerium blieb bis Redaktionsschluß unbeantwortet. Friedrich Huismann, Pressesprecher der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest in Aurich und somit der federführenden Planungsbehörde, wollte sich in Unkenntnis der Stellungnahme der Umweltverbände nicht detailliert äußern: „Wir sagen, der Ausbau der Hunte lohnt sich.“ Die Antwort, warum eine Einsichtnahme in das Gutachten so lange blockiert wurde, fällt nicht weniger pauschal aus: "Weil die Entscheidungsgründe nicht allein in einem Gutachten liegen.“

Der BUND dagegen äußert den Verdacht, daß die „Wasser- und Schiffahrtsverwaltung sich selbst eventuell Beschäftigungsprogramme auferlegt.“ Der Ausbau der Hunte sei im Kontext zu sehen mit den umstrittenen Großprojekten an der Weser (Bremerhavener Containerterminal) und an der Ems (Vertiefung). Damit seien alle drei dieser Behörde unterstehenden Flüsse einer „augenscheinlich kontrollosen“ Planung unterworfen. Um zu verhindern, daß „noch mehr Natur zerstört wird und Steuergelder verschwendet werden“, fordern die Umweltschutzverbände den Bundesverkehrsminister auf, den Ausbau der Hunte zu stoppen, sowie gleichzeitig „die Personalsituation der Wasser- und Schiffahrtsdirektion und der ihr untergebenen Dienststellen auf Überschüsse zu prüfen.“ dah