Leicht und locker wie in Milch

■ Alexander Popow, multinationaler Schwimm-Unternehmer aus Rußland, absolvierte zwei erfolggekrönte Kurzauftritte bei den Goodwill Games

St. Petersburg (taz) – Zweimal sprang Alexander „Sascha“ Popow am Sonntag bei den Goodwill Games in die schmutziggrüne Brühe des Armee-Schwimmbeckens, zweimal gewann er. „Phänomenal“, staunte der 50-Meter- Weltrekordler Tom Jager aus den USA, der von Popow förmlich deklassiert wurde. Noch am Abend dann abgedüst Richtung Moskau, am Montag weiter zu den Eltern nach Jekaterinburg im Ural, kleiner Abstecher in seine Wohnung nach Wolgograd, nächsten Samstag geht's wieder nach Australien, Ende August kommt er zurück, um sich bei der Weltmeisterschaft in Rom erneut goldig dekorieren zu lassen. Seit 18 Monaten lebt Popow in Canberra und fühlt sich dennoch als uriger Russe. Alexander Popow (22), zweifacher Olympiasieger, ist ein multinationaler Schwimm-Unternehmer.

„Über 100 Meter Freistil“, sagt Popow, „kann mich keiner schlagen.“ Er entzauberte in Barcelona den Amerikaner Matt Biondi, letzten Winter beim Kurzbahn-Weltcup kraulte er viermal die 100 Meter, viermal in Weltbestzeit. Schließlich brach er vor einem Monat in Monte Carlo auch noch den 100-Meter-Weltrekord auf der 50-Meter-Bahn. 48,21 Sekunden für Popow, als Belohnung durfte der 22jährige noch im Fürstentum seine Unterschrift unter einen Vertrag mit einem Bademodenhersteller setzen. Laufzeit drei Jahre, Einkommen ungenannt, „doch schlechter als Franziska van Almsick stellt sich der Popow nicht“, gibt Werner Peemöller an, Mitinhaber der Sponsor-Firma. Das Wundergirl aus Berlin soll angeblich 100.000 Mark pro Jahr kassieren, Popow verkörpert die männliche Antwort auf Franziska van Almsick.

„Ich bin ehrgeizig, habe Selbstvertrauen“, sagt Popow, „meine Stärke liegt im Kopf.“ Nicht nur. 83 Kilo, wohlfeil auf 1,97 Meter Körpergröße verteilt, blendende Technik, traumhaftes Wassergefühl. Ein Talent wie Mark Spitz oder Michael Groß. „Popow schwimmt leicht und locker wie in Milch“, hat der deutsche Rekordhalter Nils Rudolph nach seiner ersten Begegnung mit dem russischen Überflieger gestaunt. Tino Weber aus Halle, bester deutscher Rückenschwimmer, empfand nach einem Duell mit Popow, den der legendäre Wladimir Salnikow als „einen Schwimmer der nächsten Generation“ bezeichnet, nur noch Ohnmacht. „Gegen den kommst du dir vor, als hättest du gestern erst schwimmen gelernt.“

Popow, derzeit prominentester Schwimmer der Welt, ist ein erfolgreicher Vertreter der neuen Sportlergeneration aus dem ehemaligen Sowjetreich. Kein Millionär wie der ukrainische Stabhochspringer Sergej Bubka, kein Bettelmann wie Hunderte Kampfsportler, die in den deutschen Bundesligen ihr Glück versuchen. Ausgebildet in der Kaderschmiede einer Kinder- und Jugendsportschule in Wolgograd, beglückt durch die Perspektiven der politischen Wende.

Er folgte seinem Trainer Gennadi Turetzki, der einen Job am Sportinstitut von Canberra erhielt, in die australische Hauptstadt, wo er täglich sechs Stunden im Becken seine Kilometer abspult. „Der Schritt fiel mir schwer, doch er war richtig“, betont Popow. Monatlich 1.200 Dollar Gebühren zahlt Popow für den Trainings-Aufenthalt, nicht unbedingt ein Problem für den ausreichend mit Devisen versorgten Schwimm-Unternehmer. Bis Januar warb er für eine englische Reis-Marke, im Weltcup hat er gerade 20.000 Dollar verdient. Zum Vergleich: eine fünfköpfige Familie in St. Petersburg verfügt über monatliche Einnahmen von etwa 300.000 Rubel, circa. 150 Dollar.

Über die Verhältnisse in seiner Heimat redet Popow ungern: „Ich bin kein Politiker.“ Von zahlreichen Sportstars in der GUS sind Probleme mit dem Organisierten Verbrechen bekannt. Erpressung, Raub, Diebstahl, Schutzgelder – Popow ist das alles fremd. „Ich bin so selten in Rußland“, sagt er, „die würden mich gar nicht finden.“ Er bezeichnet sich selbst als „der Mann im Schatten“. Einer allerdings, der auch gern im Rampenlicht steht.

Jens Weinreich