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Sparwut im Land von Milch und Honig

Europäische Finanzminister streiten über den Haushalt 95 / Theo Waigel will vor allem bei den Armen kürzen / Steigende Ausgaben für Telekommunikation und Industrieforschung  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Für Bundesfinanzminister Theo Waigel fängt Haushaltsdisziplin ganz unten an. Damit das Budget der Europäischen Union nicht ins Uferlose ansteigt, kämpfte Waigel bei den ersten Beratungen der zwölf EU-Finanzminister über den Haushaltsentwurf 1995 für eine Streichung des Armutprogrammes. Das sind zwar nur 100 Millionen Mark pro Jahr, was bei einem Gesamtvolumen von knapp 140 Milliarden Mark nicht viel bringt. Aber irgendwo mußte der Minister schließlich seinen eisernen Sparwillen zeigen.

Die elf Kollegen fanden das etwas überzogen, erklärten sich aber grundsätzlich zu einem Sparsignal bereit und kürzten das Armutprogramm um ein Viertel. Mit diesem Beschluß kann auch die Europäische Kommission leben, die mit dem Geld unter anderem ältere Menschen und kinderreiche Familien unterstützt und das Programm gerne als Aushängeschild für die soziale Komponente der Europäischen Union gerettet wissen will.

Offen ist aber noch, ob das Europäische Parlament den Beschluß im September mitträgt. Denn während das Armutprogrmm gekürzt wurde, sind eine Reihe anderer Ausgaben leicht angestiegen. Mit rund 70 Milliarden Mark machen die Agrarausgaben auch 1995 zwar nur mehr etwas weniger als die Hälfte der Gesamtausgaben aus. Aber bei genauerem Hinsehen fällt auf, daß eine ganze Reihe von Zuschüssen für die Landwirtschaft und für die Fischerei in anderen Haushaltsposten versteckt sind. An zweiter Stelle folgen die Strukturfonds, mit denen Projekte in wirtschaftlich benachteiligten Regionen finanziert werden. Ihr Volumen ist von 46 auf rund 50 Milliarden Mark angestiegen. Deutlich angestiegen sind auch die Mittel für Forschung und Entwicklung in der Industrie sowie für den Ausbau der transeuropäischen Verkehrs- und Kommunikationsnetze. Diese Bereiche werden zwar auch vom Europäischen Parlament als wichtig betrachtet, aber wenn es ums Umverteilen geht, dürfte hier der Spielraum sein.

Der Entscheidungsrahmen des Parlaments ist durch die strikte Einnahmenbegrenzung stark eingeengt. Die EU finanziert sich im wesentlichen aus Beiträgen der Mitgliedsländer und kann keine Kredite aufnehmen. Über die Einnahmen bestimmen deshalb ausschließlich die 12 Finanzminister – und zwar einstimmig. Bereits im vorletzten Jahr haben sie sich darauf geeinigt, daß die Beiträge schrittweise ansteigen sollen. Von 1,2 Prozent des Bruttosozialproduktes im Jahr 1994 auf 1,21 Prozent im Jahr 1995 bis auf 1,27 Prozent 1999. Doch seit März liegt dieser sogenannte Eigenmittelbeschluß auf Eis, weil die italiensche Regierung ihre Partner damit erpressen will. Denn der Europäische Rechnungshof hat vor einiger Zeit aufgedeckt, daß das italienische Landwirtschaftsministerium seinen Bauern unter der Hand eine gewaltige Überproduktion an Milch hat durchgehen lassen. Jetzt müßten eigentlich 1,2 Milliarden Mark Milchgelder zurück nach Brüssel überwiesen werden.

Wie ihre Vorgängerin benutzt auch die Berlusconi-Regierung den Eigenmittelbeschluß als Hebel, um einen Nachlaß durchzusetzen.

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