Empörung nach dem Überfall auf Buchenwald

■ Israelischer Botschafter reist spontan nach Weimar / Bundesregierung fordert harte Bestrafung der Täter / Von 22 vorläufig Festgenommenen sind 21 wieder frei

Berlin/Weimar (taz/epd) – Der neonazistische Überfall auf die Gedenkstätte in Buchenwald bei Weimar hat große Bestürzung ausgelöst. Am Samstag war eine Gruppe von 22 Rechtsradikalen mit dem Bus vorgefahren und hatte Vitrinen und Fensterscheiben der Gedenkstätte mit Steinen eingeworfen. Einer Mitarbeiterin, die sich einmischen wollte, drohten sie Gewalt an.

Avi Primor, der israelische Botschafter, beklagte gestern bei seinem spontanen Besuch in Buchenwald, daß es in Deutschland noch immer eine kleine Mehrheit gebe, die den Holocaust an den Juden leugnen wolle. „Wir wissen aber auch, daß es sich nur um eine Minderheit handelt.“ Kritik übte er an der Staatsanwaltschaft Erfurt, die 21 von 22 vorläufig Festgenommenen sofort wieder auf freien Fuß gelassen hatte. „Die Regierung bedauert diese ekelhaften Schandtaten“, sagte Regierungssprecher Dieter Vogel in Bonn. Harte Bestrafung der Täter forderte auch die thüringische Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Einen besseren Schutz der Gedenkstätte mahnte der Bund der Antifaschisten VVN an. „Gemeinsam mit der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora haben wir schon vor längerem vor solchen Übergriffen gewarnt“, sagte ihr Sprecher Ulrich Scheider. Buchenwald könne zu einem Walhalla von Alt- und Neonazis werden.

Noch am Sonntag ließ die Staatsanwaltschaft Erfurt die Wohnungen mutmaßlicher Täter durchsuchen und fand Waffen und Propagandamaterial. Nähere Angaben machte der Justizsprecher Hans-Otto Niedhammer gestern nicht. Die Beweissicherung sei noch nicht abgeschlossen. Auch zu den Tätern wollte er keine näheren Angaben machen.

Vermutlich befanden sich die 22 Rechtsradikalen auf dem Weg zu einem verbotenen Skinheadkonzert nach Dankelsried im Unterallgäu. Ob es sich bei dem Überfall auf die Gedenkstätte Buchenwald um eine zuvor geplante Tat handelt, scheint unklar. Die Staatsanwaltschaft will sich auch dazu erst nach Abschluß der Ermittlungen äußern. Derzeit sitzt noch einer der Festgenommenen in Untersuchungshaft. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl in einer anderen Strafsache vor. Alle anderen 21 Tatverdächtigen wurden nach Feststellung der Personalien wieder auf freien Fuß gelassen. Sie konnten einen festen Wohnsitz nachweisen.

Seit August 1992 wurden insgesamt vier schwere Anschläge auf Mahn- und Gedenkstätten vor allem in Ostdeutschland verübt. Der schwerwiegendste war ein Brandanschlag im September 1992 auf die jüdische Baracke im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen. roga