: Ferien mit Tante Ingeborg Von Uli Exner
Frühstück im Journalisten-Haushalt unterscheidet sich nicht soo doll vom gemeinen Familien-Frühstück. Ein Vorteil ist vielleicht, daß man auch an freien Tagen hinter seiner Zeitung kein allzu schlechtes Gewissen kriegt. Muß ja auf dem Laufenden bleiben, gehört schließlich zum Job.
Tante Ingeborg hat sich in dieses beschauliche Bild schon ganz gut eingefügt. „Ich-les'-ja-zuhaus-immer-die-Cellesche-Ach-gucktmal-50-Stück-Taschenfed erkernmatrazen-dreihundertneunzigmark-Schiesserkurzbeinschlafanzüge-neun undzwanzigmark-das-wär-doch-was-für-meinen-Herbert-und-hier-Röcke-beschw ingte-Form-in-vielen-sommerlichen-Drucken-nur-neunzehnmark.“
Womit es an Tante Ingeborgs Tagesprogramm absolut nichts mehr zu rütteln gibt. „Is-ja-Schlußverkauf-hätt-ich-ja-fast-vergessen-Bringste-mich-hin?“ An meinem auch nicht. Zwanzig, dreißig, vierzig Tante Ingeborgs haben sich schon bei Karstadt eingefunden, umkreisen in lockerer Formation, Faltenröcken und bunten Blusen sieben Kleiderständer mit bunten Blusen und Faltenröcken. „Was-hälstn-von-dem-hier?“
Ehrlich gesagt verstehe ich nicht allzuviel von Damenoberbekleidung und begegne derartigen Fragen in der Regel eher unentschlossen. „Nun-sag-doch-mal-was-Du-bist-schon genau-wie-Herbert“. Och ja, finde ich ganz schön. Was nicht so ganz der Wahrheit, dafür aber der erprobten Kaufhausbummelbegleiter-Regel je schneller du nickst, desto eher kommst du raus entspricht. Schade nur, daß Tante Ingeborg davon nichts weiß.
Ein Rosa-braun-weiß, gelb-weiß-lila, hellgrün-mittelgrün-dunkelgrüner Haufen sammelt sich in ihrem linken Arm, während der rechte den nächsten Bügel beiseiteschubst. „Neunzehnmark-das-kann-man-sich-doch-nicht-einfach-so-entgehen-lassen“, erklärt sie einem jener zur Fülle tendierenden Herrn, die mit Shorts, Socken, Sandalen und Plastiktüte die ihnen zugeordnete Ingeborg beaufsichtigen. „Ach-Tschuldigung-Sie-meine-ich-doch-gar-nicht-Wo-steckst-du-denn-schon- wieder?“
Tante Ingeborg wendet sich der Abteilung Damenslip-Zweimark zu, womit meine Anwesenheit bis auf weiteres überflüssig zu sein scheint. „Wir-treffen-uns-zum-Mittagessen-In-einer-Stunde-oben-im-Restaurant-aber -sei-bitte-pünktlich.“ Bin ich.
Wer nicht so ganz pünktlich ist, ist Tante Ingeborg, die ihre Beutetaschen gegen drei Uhr auf dem Holzbänkchen drapiert. „Haste-lange-warten-müssen-aber-schau-mal-sind-die-nicht-wunderwundersch ön-Frollein-zweimal-Tagesgericht-bitte-Ich-lad'-dich-ein.“ Präzise abgestimmt auf die Witterung gibt es: Schweineschinkenschnitzel, Blumenkohlröschen, überzogen mit Sauce hollandaise, Kartoffeltaschen gefüllt mit Käseschaum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen