piwik no script img

Museen, Bunker, etc.Schmuckstück im Untergrund

■ Das Münchener Lenbachhaus bekam unter dem Königsplatz eine neue Außenstelle

Die Städtische Galerie im Lenbachhaus hat Zuwachs bekommen. Mehr als zehn Jahre mußten vergehen, bis alle Widerstände gegen die neue Außenstelle dieses „auf münchnerische Art fast zu schönen Museums“ (Lenbachhaus-Direktor Helmut Friedel) im Obergeschoß des U-Bahnhofs Königsplatz aus dem Weg geräumt waren.

Peter Gauweiler, damals noch Kreisverwaltungsreferent der Stadt, wollte dort ursprünglich einen Luftschutzkeller bauen. Aber dann, so Helmut Friedel, habe es wohl auch dem CSU- Rechtsaußen gedämmert, daß sich „mit einer Kunsthalle mehr Wählersympathien gewinnen lassen als mit einem Bunker“.

Nun ist die „mühselige Geschichte“ (Friedel) zu einem guten Ende gekommen. Der Kunstbau am Königsplatz steht, die Stadt hat den Etat des Lenbachhauses auf insgesamt 7 Millionen Mark erhöht. Für die neue Ausstellungshalle bleiben davon 1,5 Millionen plus Geld für Kataloge und Bewachung – genug, um ein anspruchsvolles Programm auf die Beine zu stellen.

Die Voraussetzungen für den Kunstbau, in dem fortan Wechselausstellungen gezeigt werden sollen, wurden bereits vor 17 Jahren geschaffen. Während der Ausschachtungsarbeiten für die U-Bahn-Linie 2 war ein 5,50 Meter hoher, von achtzehn Betonpfeilern gestützter Hohlraum entstanden, der mit rund 100 Metern Länge und einer Breite von 16 Metern sowie einer leichten Krümmung nach rechts dieselben Abmessungen hat wie der darunterliegende Bahnhof Königsplatz.

Der Umbau dieses „waagerechten Wolkenkratzers“ durch den Münchner Architekten Uwe Kiessler war vergleichsweise billig: 13 Millionen Mark. Ein Neubau wäre um ein Vielfaches teuerer gewesen.

Kiessler beließ den Raum weitgehend so, wie er ihn vorgefunden hatte. Hinzugekommen sind der zweistöckige, ganz in Schwarz gehaltene Eingangsbereich und eine schräge, weit in den Raum reichende Rampe. Die Pfeiler und die Decke hat Kiessler in bläulich-grauem Sichtbeton stehen lassen. Am Boden wurde, dem Raum in seiner Längsrichtung folgend, hellbraunes Parkett verlegt. Die Wände dagegen, hinter denen sich die Klimatechnik befindet, strahlen in klassisch modernem Weiß.

Im hinteren Drittel dieses Schlauchs installierte der Architekt einen kleinen, rundum geschlossenen Vortragssaal, der jetzt wie eine Predigtkanzel auf halber Höhe an einem der Pfeiler klebt. Die dem Eingang gegenüberliegende Wand, dort, wo die Rolltreppen zur U-Bahn-Station führen, ist vollständig verglast.

So ist Kiessler mit ein paar wenigen Eingriffen ein architektonisches Schmuckstück geglückt. Allerdings wird es in Zukunft wegen der ungewöhnlichen Dimensionen des Raums nicht einfach sein, hier Kunst auszustellen. Zumal Friedel auf eine konventionelle Gliederung, etwa durch Stellwände, verzichten möchte.

Doch mit der ersten, beim Publikum überaus erfolgreichen Ausstellung, einer Lichtinstallation des US-amerikanischen Minimalisten Dan Flavin, ist Friedel und seinen MitarbeiterInnen ein sanfter Einstieg in die schwierige architektonische Situation gelungen. Flavin, der seit gut 30 Jahren mit seinen ätherischen Skulpturen die Wechselwirkungen zwischen Licht, Raum und Farbe erforscht, hatte etwa 200 handelsübliche, rote, blaue, gelbe und grüne Leuchtstoffröhren in Längsrichtung an die Decke gehängt. Der Kunstbau war nur mit farbigem Licht gefüllt. Man spazierte durch bunten Dunst, durch eine Welt, in der sich farbige Schatten in allen Nuancen mischen. Rot wurde zu hellem Purpur, Blau zu Türkis, Orange, Violett oder Giftgrün. Je nach Standpunkt und Blickwinkel ergaben sich immer wieder veränderte Farbzusammenstellungen. Einmal erschien die Rampe lila, dann rötlich, die dahinterliegende Seitenwand rosa und grün. Und rund um die Pfeiler zerschmolz die Farbe wie ein geplatztes, scharf geometrisch abgezirkeltes Farbei. Jeder konnte sein eigenes, flüchtiges Farbenspiel inszenieren. Ein Memento mori, ganz unerwartet fröhlich und lebensprall. Ulrich Clewing

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen