: Handschlag ohne Euphorie
■ In Israel hat man sich längst an gute Beziehungen zu Jordanien geöhnt
Tel Aviv (taz) – Israelische FernsehzuschauerInnen betrachteten den Handschlag von Washington mit Gelassenheit. Weil die Beziehungen zwischen Jordanien und Israel seit Jahren gut sind, mochte angesichts der Zeremonie kaum Euphorie aufkommen. Die formelle Beendigung des Kriegszustands zwischen beiden Staaten bringt noch keine wesentlichen Veränderungen für das tägliche Leben der Israelis. Über die Vorteile einer zukünftigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Jordanien, des intensiveren Handels, der Entwicklung von Tourismus und gemeinsamen Transports, von großangelegten Energie- und Wasserprojekten, kann man sich einstweilen nur allgemein freuen. Eine Realisierung der zum Teil bereits ausgearbeiteten Pläne kommt erst nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrags in Frage.
Der Zeremonie mit König Hussein wird in Israel vor allem politpsychologische Bedeutung beigemessen, die Israels Ansehen in der Welt zugute kommt und die Position des jüdischen Staates im Nahen Osten festigt. In der neuentstandenen Dreieck-Konstellation Jordanien-PLO-Israel sind die arabischen Partner von Israel abhängig. Israel steht es nun frei, König Hussein und PLO-Chef Arafat gegeneinander auszuspielen. Zwar existieren jetzt israelisch-palästinensische und israelisch-jordanische Abkommen, aber die jordanisch-palästinensischen Beziehungen müssen dem erst angepaßt werden.
Unmittelbar nach der Zeremonie in Washington wurde der Konflikt in der Jerusalem-Frage deutlich. Der Name der Juden, Christen und Muslimen heiligen Stadt taucht als dritter Punkt in der washingtoner Erklärung auf. Aus palästinensischer Sicht steht der Passus im Widerspruch zu dem, was Israel mit der PLO vor einem Jahr in Oslo vereinbart hat. Damals wurde festgelegt, daß der Komplex Jerusalem erst in der letzten Verhandlungsphase aufzurollen ist. Diese soll 1996 beginnen. In Washington versprachen die Israelis dem jordanischen König jedoch, ihm bei Verhandlungen über einen dauerhaften Status der Stadt eine Sonderrolle als Verwalter der islamischen Heiligtümer zuzugestehen. Diese Zusage kollidiert mit der Forderung der Palästinenser, daß der Status quo in Jerusalem einstweilen unverändert bleiben muß. Palästinenser befürchten nun, daß das Abkommen zwischen Rabin und Hussein die palästinensisch-jordanischen Verhältnisse trüben wird. Eine zunehmende Zahl von Palästinensern fürchtet, daß die PLO in Oslo und Kairo als Starter eines Prozesses gedient hat, der eigentlich auf die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten zielt, ohne palästinensische Interessen zu berücksichtigen.
In Jerusalem wie auch in Washington wird angenommen, daß US-Außenminister Warren Christopher bei seinem für Anfang August angekündigten nächsten Nahost-Besuch viel bessere Aussichten hat, auch die jetzt fast isolierten Syrer in kürzester Zeit zu Verhandlungen zu drängen. Die israelische Regierung macht Syrien mitverantwortlich für die neue militärische Eskalation im Süden Libanons. Gestern kam bei den Gefechten mit Mitgliedern der schiitischen Hisbollah ein israelischer Offizier ums Leben, 13 Soldaten wurden verletzt. Die Hisbollah erklärte, der Angriff sei ein Denkzettel zur Erinnerung an die israelische Offensive „Rechenschaft“ vor genau einem Jahr. Damals hatte der US-Außenminister, der gerade zu einer Nahost-Reise aufbrach, die Gelegenheit, als Konfliktschlichter einzugreifen. Der für die israelischen Beziehungen mit Libanon zuständige Uri Lubrani drohte gestern mit einem israelischen Vergeltungsschlag. Beobachter fürchten daher zu Beginn der Christopher-Reise eine weitere Schlacht im Libanon. Amos Wollin
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