USA verdrängen Versprechen

■ Die US-Regierung wertet die „Empfehlung“ Ghalis als „wenig hilfreich“ ab, immerhin nimmt Ghali USA beim Wort

So sehr ist der Krieg in Bosnien aus dem Blickfeld der US-Öffentlichkeit geraten, daß selbst der jüngste Vorschlag Butros Ghalis, alle UNO-Einheiten vom Balkan abzuziehen, kaum Aufregung auslöste. Ruanda, Haiti, das Siechtum der Gesundheitsreform, Whitewater und der Mordprozeß gegen O.J. Simpson bestimmen derzeit die Schlagzeilen. Der Clinton-Regierung dürfte das nur recht gewesen sein, denn allein die Andeutung, die UNO würde die Durchsetzung eines Friedensplanes den Mitgliedern der „Kontaktgruppe“ überlassen, könnte die Beteiligung der USA wieder innenpolitisch ins Zentrum der Kritik bringen. Nach wie vor gilt die Zusage der US-Regierung, wonach US-Soldaten zur Implementierung eines solches Planes nach Bosnien entsandt würden – vorausgesetzt, alle Kriegsparteien haben einem solchen Abkommen zugestimmt.

Doch dieses Versprechen einzuhalten und in der US-Öffentlichkeit zu legitimieren, dürfte Bill Clinton noch schwerer fallen, wenn der blaue Anstrich der UNO fehlt. Erst letzte Woche hat Verteidigungsminister Perry angekündigt, die USA würden eine größere Rolle in Bosnien einnehmen, egal, ob die bosnischen Serben den Teilungsplan der „Kontaktgruppe“ akzeptieren oder nicht. Entweder, so Perry, werde man die Lufteinsätze der Nato erhöhen oder Truppen zur Umsetzung des Abkommens schicken.

Nun war der Brief Butros Ghalis kaum veröffentlicht, da machten Vertreter der US-Regierung auch schon deutlich, daß das Schreiben allenfalls eine „Empfehlung“ sei – und zwar eine „nicht besonders hilfreiche“. Zudem sei abzusehen, erklärte ein Regierungsvertreter der Washington Post, daß der Sicherheitsrat, in dem unter anderem die USA, Großbritannien und Frankreich ein Vetorecht haben, einem Rückzug der UN- Truppen nicht zustimmen würden. Frankreich widersprach den „Empfehlungen“ des UNO-Generalsekretärs ebenso wie Großbritannien, dessen UNO-Vertreter noch bis Sonntag Butros Ghali davon abzubringen versuchten, seinen Brief in Umlauf zu bringen.

In seinem Schreiben machte Ghali nicht nur seinem Ärger darüber Luft, daß die, häufig als „serbenfreundlich“ verschriene, UNO durch die „Kontaktgruppe“ aus dem politischen Verhandlungsprozeß in Bosien herausgedrängt worden ist. Butros Ghali ist auch frustriert über die fehlende finanzielle und politische Rückendeckung von Blauhelmeinsätzen. Erst vor wenigen Wochen bürstete er den Vorschlag Washingtons ab, nach einer von der UNO abgesegneten und von den USA geführten Militärintervention in Haiti Blauhelme hinterherzuschicken. Andrea Böhm, Washington