Ganoven, Würstchen und freies Pinkeln

■ Die legendäre Kiez-Imbißbude „Heiße Ecke“ muß dem Fast-Food weichen von Günter Zint

Nachdem er mehrere Bratwürste Bier heruntergeschluckt hatte, zog der Gast einen Ballermann und setzte ihn seinem Tischnachbarn an die Schläfe: „Du zahlst, sonst knallt's“. Das brachte ihm drei Jahre Knast wegen bewaffneten Raubs. Nach der Entlassung ging er schnurstracks zum Tatort zurück, um sich bei Sophie und Ella, den Bullettendompteusen, zu entschuldigen. Das war vor 10 Jahren. Hätte er länger sitzen müssen, hätte er Pech gehabt.

Denn gestern wurde der legendäre Imbiß „Heiße Ecke“ abgerissen. An gleicher Stelle soll jetzt ein Pizza Hut-Laden entstehen. Damit geht eine dreißigjährige Tradition St. Paulis zu Ende. Fast rund um die Uhr sorgten in der Ecke Sophie und Ella für Erbsensuppe, Currywurst und Bier. Lange Zeit schien die fettige Ecke fast wie eine Filiale der Heilsarmee, deren Essenbons gegen Erbsensuppe getauscht werden konnten.

Die Leuchtreklame der Heißen Ecke wandert ins Sankt Pauli Museum. Sie wurde erst vor vier Jahren erneuert. Denn nach dem deutschen Fußball-Sieg hatte eine ganze Horde feiernder Kiezbummler auf dem Dach derart getanzt, daß es einzustürzen drohte. Die Polizei mußte die Leute mit einem Wasserwerfereinsatz abkühlen. Dabei gingen sämtliche Scheiben und Leuchtreklamen zu Bruch.

Rechtzeitig zum Abriß ist auf der gegenüberliegenden Seite der Reeperbahn ein neuer, häßlicher Imbiß entstanden, in dem man an der Vorderseite Pommes und Bier zu sich nehmen kann, an der Rückseite gegen nochmaliges Zahlen von fünf Klogroschen das Flüssige wieder loswerden kann. Ein männliches Privileg ist somit dahin – das kostenfreie Pinkeln. Deshalb gründete sich bereits eine Bürgerinitiative „Freies Pinkeln“, die sich durch kollektives Protestpissen auf den umliegenden Straßen und Plätzen hervortut.