IndianerInnen im Moor

■ Xavante aus Brasilien suchen und finden Unterstützung bei Bremer Kindern

„Einer unserer Älteren hatte schon vor ein paar Jahren geträumt, daß wir über–s Meer fahren werden und uns mit Menschen treffen, die sich für uns und unsere Probleme interessieren“, erzählt Severiá, die einzige Frau einer derzeit in Bremen gastierenden Indianer-Delegation aus Brasilien. Die Xavante-Indianer aus dem Mato Grosso Gebiet sind vom Bremer Verein „Klick“ in ein Zeltlager für Kinder und Jugendliche nach Worpswede eingeladen worden, um einen kulturellen Austausch im kleinen Rahmen zu praktizieren. Fern von der Stadt auf einer grünen Wiese bauen sie Hütten, erzählen Geschichten und abends beim Lagerfeuer wird gesungen und getanzt. Für manche Kinder ist das alles gar nicht so fremd. Ein Teil der Jugendlichen war bereits vor zwei Jahren in Brasilien bei den Xavante zu Gast und hat deren Lebensbedingungen dort kennengelernt.

Von der herzlichen Aufnahme und der Fröhlichkeit schwärmen sie immer noch, dabei ist das Leben der IndianerInnen alles andere als rosig: Ihre traditionelle Medizin ist gegen die eingeschleppten Krankheiten wie Grippe und Masern oft machtlos. Das Flußwasser ist durch Pestizide stark verseucht. Außerdem dringen immer wieder Wilderer und illegale Holzfäller ins Reservat ein, gegen die die Indianer sich wehren müssen. „Dabei hilft uns, daß wir als streitbare Jäger bekannt sind. Wir können nämlich sehr wütend werden, wenn es sein muß und dann bekommen die Leute Angst und hauen ab – aber meistens sind wir freundlich“, grinst Severiá.

Die kleine Frau mit den glatten schwarzen Haaren wird allerdings dann sehr ernst, wenn sie über die Situation der Xavante spricht. „Indianer werden oft nicht ernst genommen, die Leute meinen, sie könnten einfach kommen und uns was wegnehmen.“ Deshalb war es für die Xavante wichtig, außerhalb Brasiliens nach MitstreiterInnen zu suchen. Der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen vom Bremer Klick Verein ist wichtig für sie, sie betrachten die Jugendinitiative als ernstzunehmende Gesprächspartner. Denn „vielleicht sind sie in ein paar Jahren wichtige Personen in Deutschland, und dann können sie sich für die Xavante einsetzen“, erklärte Häuptling Tsuptó am Montag Sozialsenatorin Irmgard Gaertner beim Senatsempfang. Er bedankte sich auch für den standesgemäßen Empfang – und dafür, daß die IndianerInnen in ihrer traditionellen Aufmachung mit den rotgefärbten Haaren nicht ausgelacht wurden. Ein Hinweis darauf, daß in Brasilien in dieser Hinsicht manches anders ist.

„Inzwischen haben wir gelernt, daß es wichtig ist, die Weißen zu verstehen. Wir müssen lernen, wie ihr Denken funktioniert, damit wir uns wehren können“, erzählt Severiá. In dem Sinne ist ihr Besuch in Bremen sicher eine Bildungsreise.

Zwar sind die IndianerInnen die Attraktion des Klick-Zeltlagers in Worpswede, aber sie haben auch ein umfassendes Besichtigungsprogramm, das sie sich selbst zusammengestellt haben. Gestern hieß es zum Beispiel im Zeltlager: „Nein, die Indianer sind nicht da. Die sind mit den Kindern in die Stadt gefahren, sie wollen sich wohl den Sommer-Schluß-Verkauf angucken.“ Außerdem wurde auf ihren Wunsch hin eine Besichtigung bei Mercedes organisiert, gefolgt von einer Fahrt an die Nordsee, wobei das Begucken des Meeres Nebensache ist – interessant finden die Xavante das Phänomen Campingplatz. Das wollen sie mit eigenen Augen sehen, daß Menschen mit einer eigenen Wohnung sich freiwillig für mehrere Wochen bei brütender Hitze in ein kleines Zelt quetschen.

Außerdem ist man eifrig damit beschäftigt, das große indianisch-norddeutsche Fest am kommenden Samstag in Worpswede vorzubereiten. Auf dem Programm steht neben indianischem Baumstämme-Werfen und dem Schießen mit Pfeil und Bogen auch ganz normales Büchsenwerfen. Gudrun Kaatz