■ Normalzeit
: Auf Dauer eingerichtete Behörden

Über die Post ist schon viel geschimpft worden, das macht die Unterstützung des Kampfes der Postler gegen ihre Privatisierung so schwierig. Als letztens in der Berliner Betriebsräteinitiative dieses Thema anstand und jemand dazu bemerkte: „Bei der Post bin ich auch gegen Massenentlassungen, da würde ich eher für Massenerschießungen plädieren!“ erntete er nicht nur Ablehnung. Im Gegenteil: Fast alle hielten das für eine optimale Forderung im Zusammenhang der Sanierung unserer Deutschen Post. Es gibt nur eine Institution, die noch unsinniger funktioniert. Das ist die behördeninterne Post. Nehmen wir als Beispiel die im Bezirk Marzahn, und zur Verdeutlichung einen Postvorgang im dort besonders aktiven Jugendamt:

Die Sachbearbeiterin im (ausgelagerten) Amt Marzahn-West bekommt am Mittwoch telefonisch von ihrem Vorgesetzten einen dringenden Argumentationsauftrag im Umfang von einer Seite. Die Botin der Poststelle des Jugendamtes in Marzahn-Mitte kommt jeweils am Montag und Mittwoch mittag und holt die Post von der Außenstelle ab. Die Sachbearbeiterin beeilt sich mit Formulieren und legt den Text am Donnerstag ins Ausgangs- Postfach. Von dort holt die Botin der Jugendamts-Poststelle ihn (per Fahrrad oder VW-Bus) am Montag ab und bringt ihn in die Kanzlei, das Schreibbüro des Jugendamtes (in Marzahn-Mitte). Im Schreibbüro landet der Text am Dienstag. Und „im Glücksfall“ wird er von den dortigen Schreibdamen bis Donnerstag getippt. Er geht also am darauffolgenden Montag mittag erst wieder zur Amtsaußenstelle- West zurück, zur Sachbearbeiterin, die ihn am Dienstag oder Mittwoch ihrem Amtsleiter zur Unterschrift vorlegt (meistens hat der sogar noch bis Mittwoch laufend Sitzungen und ist bis Donnerstag außer Haus). Aber gehen wir davon aus, daß er ihn sogar am Mittwoch schon unterschreibt. Der Bote ist dann bereits weg. Der unterschriebene Text geht also erst fünf Tage später, am Montag, wieder mit raus: zum Jugendamt-Mitte, in dieselbe Etage wie das Schreibbüro, nur fünf Türen weiter, zu Händen der Jugendamtsdirektorin. Diese verwendet den Text für eine Information, die der Bezirksbürgermeister haben wollte. Dazu gibt sie ihn, als Vorgang, zwei Tage später in die Poststelle des Jugendamtes. Dorthin kommt täglich der Kurier der Poststelle des Bezirksamtes. Von wo aus das Informatiönchen dann später ins Vorzimmer des Bürgermeisters „nach oben“ gelangt. Die Vorzimmerdame legt das Schreiben noch am selben Tag, wir haben Mittwoch, auf den Schreibtisch des Bürgermeisters. Und da liegt er dann!

Dieser ganze, am Ende vielleicht anderthalbseitige Informationsvorgang dauerte 22 Tage. Und wenn er dann noch die Vorortschilderung der unerträglichen Hitze in der zur Jugendamtsaußenstelle umfunktionierten Kita in Marzahn-West zum Inhalt hatte, die dem Bürgermeister eine schnelle Anordnung zur Abhilfe (Hitzefrei z.B.) abforderte, dann kann man sich leicht vorstellen, warum darüber a) locker der Sommer ins Land geht, bis endlich „was geschieht“ und b) der Bürger dabei aber auch so was von „politikmüde“ wird, daß es nur so seine Bewandtnis hat. Helmut Höge

Wird fortgesetzt