■ Filmstarts à la carte
: Spiel mir das Lied von der Hitze

In der Hitze erkennt man, wie sehr man doch natürlichen Rhythmen unterworfen ist. Opportunistisch sollte man sich also der blöden Natur anpassen und sie, wenn's niemand hört, ordentlich beschimpfen. Im kühlen Kino gibt's währenddessen vor allem Evergreens und wenig Neues.

Einer der sehenswerten neueren Filme ist das Debüt des 29jährigen chinesischen Regisseurs Wang Xiaoshuai: Wintertage, Frühlingstage. Durchgehend in Schwarzweiß gehalten, zeichnet der 1993 entstandene Film ein depressives Gegenbild zum opulenten chinesischen Erfolgsfilm. Die beiden jungen Künstler Xiaodong und Xiaochung sind einander fremd geworden. Sie haben sich nichts mehr zu sagen, schlafen nur noch aus Gewohnheit miteinander; haltlos verstreichen die Tage, ohne daß etwas geschieht. Traurig grübelnd raucht der Mann, bis er nicht mehr kann. Während seine Frau nach New York möchte, versucht er, meist vergeblich, mit einem Künstleragenten aus Hongkong zu telefonieren. Eine gemeinsame Reise aufs Land kann den Trennungsprozeß nicht aufhalten. Am Ende verläßt sie ihn; er landet eher beiläufig im Frühling in einer Klinik.

fsk, Wiener Straße täglich 20 Uhr

In seinem Erstlingswerk Bratan schildert der junge tadschikische Regisseur Bachtijar Cudojnasarow in grobkörnigem Schwarzweiß die Reise zweier Brüder zu ihrem Vater in der Ferne. Karg ist die Landschaft, heiß ist es in der Steppe; die Reise endet an einem ausgetrockneten Meer, bei einem Vater, der seine Söhne zunächst nicht erkennt. „Bratan“ ist eine Art Roadmovie. Wie alle guten Roadmovies weckt er die Sehnsucht nach einem Weg von hier.

Wer hierbleiben muß, kann seine Sehnsucht auch in weiteren Filmen der Reihe Reisen mit der Kamera nähren, die derzeit im Arsenal zu sehen ist. Leute, die Wim Wenders wegen seiner letzten Filme hassen, sollten sich zum Beispiel noch einmal Im Lauf der Zeit anschauen. 175 Minuten lang führt das schön-melancholische Frühwerk des Ex-Jungfilmers nicht nur zwei junge Männer an andere Orte, sondern vor allem auch in eine Zeit, die nie wiederkommt. Deshalb sehen Hans Zischler und Marquard Bohm auch ganz besonders melancholisch aus, wenn sie im provinziellen Zonenrandgebiet der BRD suchend um sich schauen. „Die Reise wird zur befreienden Fluchtbewegung und zur heilsamen Desillusionierung, geprägt von der Erfahrung der Wurzellosigkeit, die gleichwohl neue Formen des Sehens und Erlebens eröffnet“, lobt das Katholische Institut für Medieninformation e.V. in seinem „Lexikon des internationalen Films“.

„Bratan“: 25.7., 22.15 Uhr; „Im Lauf der Zeit“: 29.7., 22 Uhr; beide im Arsenal

Passend zur Hitze und für alle, die ihn noch nicht gesehn haben, wird Sergio Leones definitives Meisterwerk Spiel mir das Lied vom Tod noch einmal in verschiedenen Kinos aufgeführt. Es ist heiß, sehr heiß, mörderisch heiß in dem zynisch-pessimistischen und immer noch unglaublich spannenden Höhepunkt des Italo-Western, der, 1968 in die Kinos gekommen, gar viele 68er schon begeistern konnte.

28.7. bis 3.8., 18 Uhr, Bali; 28.7., 22 Uhr, Freiluftbühne Zitadelle; 1.8., Freiluftkino Hasenheide

Der Sommer sollte der Vervollständigung des Wissens dienen. Deshalb wackeln zur Zeit auch recht viele klassische Kinobilder durch die Gegend, die zumindest erwähnt werden sollten: Sinfonie einer Großstadt, M, Nosferatu und, für die Irren unter uns, Zur Sache Schätzchen. Hingewiesen sei noch auf Dune. Lynchs Versuch einen Science-fiction zu drehen, scheiterte zwar dramaturgisch, doch zum einen ist er selbst im Scheitern noch interessant, zum anderen wird er selten nur gezeigt.

Dune, 28.7., 20 Uhr, im KOB (Eintritt frei). Detlef Kuhlbrodt