„Ich werde nicht gehen, warum sollte ich gehen“

■ Ein Distriktgericht in Bangladesch will Nasrin und ihren Verleger vorladen

Dhaka/Berlin (taz) – Ein Gericht im Nordosten Bangladeschs hat jetzt die im Untergrund lebende Schriftstellerin Taslima Nasrin vorgeladen. Wie die Zeitung The Star gestern berichtete, haben islamische Geistliche im abgelegenen Sylhet-Distrikt vor neun Monaten Klage gegen Nasrin und den Verleger ihres Buches „Jabo Na Keno Jabo“ („Ich werde nicht gehen, warum sollte ich gehen“) erhoben. Begründung: das Buch verletze die religiösen Gefühle.

Die Vorladung durch das Distriktgericht bedeutet, daß Nasrin „nach Sylhet reisen soll, um dem dortigen Gericht darzulegen, warum ihr Buch ihrer Meinung nach keinen Verstoß gegen die religiösen Gefühle darstellt“, erklärte ein Beobachter in Dhaka und fügte hinzu: „Das ist völlig absurd.“ Bei dem 1993 in bengalischer Sprache erschienenen Buch handele es sich um eine Sammlung feministischer Kommentare und Zeitungsartikel, die sich mit den Rechten und Problemen der Frauen in Bangladesch beschäftigen. (Zu diesem Thema mehr auf der morgigen Frauenseite der taz) Dieses Buch ist in Bangladesch frei verkäuflich – anders als ihr Roman „Lajja“ („Die Schande“), das von der Regierung auf den Index gesetzt wurde. Taslima Nasrin ist untergetaucht, nachdem im Juni gegen sie Haftbefehl erging, der mit ihrer Kritik am islamischen Rechtssystem begründet wurde.

Die jetzt erfolgte Vorladung durch ein kleines Gericht in einer entlegenen Region sei ein erneuter Versuch islamischer Fundamentalisten, Taslima Nasrin zu schikanieren und die Kampagne gegen sie aufrechtzuerhalten, heißt es in Bangladesch. Islamistische Gruppierungen nutzen die Gunst der Stunde, um ihren Druck auf die Regierung zu verstärken: Premierministerin Khaleda Zia will verhindern, daß es beim diesjährigen Außenministertreffen der Südasiatischen Regionalkonferenz SARC in Dhaka zu unliebsamen Störungen kommt. Daher finden sie es noch schwieriger, sich offen gegen die Fundamentalisten zu stellen. Auf der anderen Seite „braucht“ die fundamentalistische Jamaat- i-Islami-Partei des 72jährigen Golam Azam den Kampf gegen Taslima Nasrin, um von eigenen Problemen abzulenken: Azam wird beschuldigt, im Unabhängigkeitskrieg 1971 auf der Seite Pakistans gestanden zu haben. So kam es am Dienstag in der Stadt Chittagong zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, als antifundamentalistische Studentengruppen gegen eine Versammlung von Azam-Anhängern demonstrierten. Sie warfen dem Jamaat-Führer vor, sich auch an Kriegsverbrechen beteiligt zu haben. Zwei Menschen starben bei den Protesten, über hundert wurden verletzt.

(Seite 11) Jutta Lietsch