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■ Rußland und Estland schließen Abkommen über Truppenrückzug

Moskau (dpa/taz) – Rußland wird seine Truppen aus Estland bis zum 31. August dieses Jahres abziehen und damit seine militärische Präsenz im Baltikum beenden. Das gaben die Präsidenten Rußlands und Estlands, Boris Jelzin und Lennart Meri, am Dienstag abend nach einem Treffen in Moskau bekannt. „Damit werden die letzten Konsequenzen des Zweiten Weltkriegs in Estland beseitigt“, sagte Meri vor Journalisten. „Das ist ein Wendepunkt der russisch-estnischen Beziehungen.“

Weniger euphorisch fiel das Urteil des russischen Präsidenten aus: Die sechsstündigen Verhandlungen seien „ziemlich schwierig“ gewesen. Estland sei es gelungen, den Westen in Aufregung zu versetzen. Er habe sowohl von US-Präsident Clinton als auch von Bundeskanzler Kohl Briefe erhalten, die für den Abzug der Truppen plädierten.

In Estland sind derzeit noch 2.000 russische Soldaten stationiert. Litauen hatten Moskaus Truppen bereits 1993 verlassen. Die letzten in Lettland verbliebenen Soldaten werden ebenfalls am 31. August abgezogen. Die UdSSR hatte das Baltikum 1940 besetzt.

Die soziale Absicherung der 10.000 pensionierten russischen Offiziere war der entscheidende Streitpunkt zwischen Moskau und Tallinn. Laut der Vereinbarung haben die Ex-Militärs nun das Recht, eine Aufenthaltsberechtigung zu beantragen. Jeder Fall werde von einer Kommission entschieden, zu der ein Vertreter der KSZE gehören wird. Sollte die Kommission zu der Ansicht kommen, ein Antragsteller gefährde die Sicherheit des Landes, wird das Aufenthaltsrecht verweigert. Damit will Estland die Bildung einer „fünften Kolonne“ aus früheren Mitgliedern sowjetischer Eliteeinheiten und des KGB verhindern.

Ob das Abkommen tatsächlich den „Wendepunkt in den estnisch- russischen Beziehungen“ darstellen wird, bleibt abzuwarten. Kein Kompromiß zeichnet sich nämlich bisher in der Frage des Grenzverlaufs zwischen den beiden Staaten sowie bei der Diskussion über die Rechte der russischen Minderheit in Estland ab. Völlig unklar ist auch, ob das Parlament in Tallinn den Vertrag ratifizieren wird. Bisher hatten estnische Politiker soziale Rechte für russische Armeepensionäre stets abgelehnt.