Autos auf die Straße - Kinder in die Garage?

■ Was tun gegen Ozon? / FDP gegen Verkehrs-Beschränkung / Gesundheitssenatorin fordert: Autos bitte stehen lassen!

Deutlicher könnten die Gegensätze nicht aufeinanderprallen: „Ich appelliere an alle Autofahrer, in diesen Tagen auf die Gesundheit der Mitmenschen zu achten und das Auto stehen zu lassen wo immer es geht“, erklärte gestern Gesundheitssenatorin Irmgard Gärtner. Auf der gemeinsamen bremisch-niedersächsischen Kabinettssitzung Ende September will sie sich für die gemeinsame Sommersmog-Verordnung einsetzen, mit der im kommenden Jahr auch in Bremen Einschränkungen des Verkehrs bei Ozon-Belastungen verfügt werden sollen.

„Wir haben hier oben im Norden genug Wind, und wenn der Grenzwert mal überschritten wird, dann muß man sich halt in acht nehmen“, hatte dagegen Wirtschafts-Staatsrat Prof. Haller erklärt. Eine Sommersmogverordnung sei nicht erforderlich.

Die Gesundheitssenatorin widersprach prompt: „Die These, Bremen habe infolge des Seewindes günstigere klimatische Bedingungen und dadurch bessere Atemluft, ist falsch.“ Die Studie „Gesundheit und Verkehr“ habe dies eindeutig bewiesen. Der Ratschlag des Staatsrates, bei Ozon-Alarm „sich in acht zu nehmen“, sei geradezu „zynisch" und „unmöglich“ und laufe auf die Devise hinaus: „Die Autos dürfen draußen spielen und die Kinder bleiben in der Garage“. Die Zeiten, in denen „Auto, Auto über alles“ gegolten habe, seien vorbei.

Auch die IG Metall meldete sich gestern zu Wort und bemängelte, daß es keinerlei Schutzbestimmungen gebe, die Arbeitnehmer davor bewahrten, in Zeiten unzumutbarer Ozonbelastungen „unter Leistungs- und Akkordlohn im sportlichen Tempo weiterarbeiten“ zu müssen. Nicht nur im Straßenverkehr, auch für die Arbeitswelt müsse es Schutzmaßnahmen geben.

Der aus Frankfurt nach Bremen gerufene Umwelt-Staatsrat Manfred Morgenstern verfolgt mit Interesse den „ersten flächendeckenden Versuch“, mit einem Tempolimit die Ozonbildung zu mindern. „Etwas absurd“ findet er die derzeitige Rechtslage, bei 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft die Bevölkerung warnen zu müssen, aber nichts tun zu dürfen. In der für 1995 geplanten Sommersmog-Verordnung solle deshalb bei dem kritischen Grenzwert von 180 schon eine Geschwindigkeitsbegrenzung verfügt werden, beim hessischen Grenzwert (240) sollen alle PKW's ohne Kat Fahrverbot erhalten. Wenn dies ein gemeinsames niedersächsisch-bremischen Projekt werde, falle es der FDP vielleicht leichter, zuzustimmen, meinte Morgenstern.

Ozon entsteht in hundert chemischen Reaktionen...

Als Expertin für die Ozon-Problematik ist in Bremen Adelheid Hirsch, Mitarbeiterin im Umwelt-Ressort, zuständig. 70 Prozent der Stickoxide und 50 Prozent der leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffe, beides die Ursprungssubstanzen des Ozon, stammen aus dem Auspuff, erklärt sie. Das bedeutet: Wenn, wie der Bundesunmweltminister Töpfer meint, Tepolimits zu wenig bringen, müssen massivere Verkehrsbeschränkungen verfügt werden.

Neben dem Verkehr sind vor allem Lösemittel (in Farben, chemischen Reinigungen, Druckereien) für die Ursprungsstoffe des Ozon verantwortlich. In einhundert chemischen Reaktionen entsteht unter starker Sonneneinwirkung das Ozon. Was heute durch ein Fahrverbot an Stickoxiden vermindert wird, kann sich daher erst übermorgen als geringere Ozon-Belastung auswirken. Wind kann die chemischen Rektionen beeinträchtigen, indem er die Substanzen durcheinanderwirbelt. Wind kann aber auch das gebildete Ozon aufs Land treiben, wo der Abbau des Ozon durch frische Stockoxyde weniger stark ausfällt. Die höchsten Ozon-Belastungen wurden immer auf dem Lande gemessen. In ganz Niedersachsen stehen allerdings nur 30 Meßwagen. „Wie es wirklich auf dem Lande ist, das weiß niemand, da gibt es keine Meß-Container“, meint Hirsch.

Neben der direkt als Augenbrennen oder Schleimhaut-Reizung spürbaren Ozon-Belastung verfolgt die Gesundheitsbehörde auch andere Ziele. Eine Verkehrs-Reduzierung und langfristig die Entwicklung eines andersartigen Treibstoffes würde auch den Benzol-Ausstoß vermindern. Der ist nicht unmittelbar spürbar, dafür für einzelne tödlich - weil krebserregend.

Daß in Bremen die Ozon-Belastung vergleichsweise niedrig ist, liegt vor allem daran, daß Norddeutschland so tief liegt, erklärte der Sprecher der Gesundheitssenatorin. In höheren Gegenden werden auch ohne starke direkte Verkehrsbelastung derzeit 300 oder 400 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. In Bremen wurde 1990 das letzte Mal die 240 Mikrogramm überschritten. K.W.