Wenn die kalten Deutschen schwitzen

■ Sommerlicher Hochbetrieb am Bremer Goethe-Institut: 180 StudentInnen aus 45 Ländern zu Gast

Während das heimische Studentenvölkchen sich am Unisee entspannt und die Strapazen des Lehrbetriebs zu vergessen sucht, sind die KommilitonInnen anderer Länder am Schwitzen – nicht in der Sonne, sondern im Goethe-Institut. Wenn die anderen Ferien machen, herrscht hier Hochbetrieb: 180 Studierende aus knapp 45 Ländern sind zur Zeit in der Bremer Filiale des Bildungsinstituts, lernen die Sprache, aber auch Land und Leute kennen. Ein Bild von den Deutschen haben sich einige schon mal gemacht. Hektisch, respektlos und oft unfreundlich finden sie ihre GastgeberInnen. „Die Laune hängt aber auch sehr vom Wetter ab“, hat Wacharit aus Thailand bemerkt. Wenn die „kalten Deutschen“ schwitzen und die Sonne die Gemüter erhitzt, „lachen alle“. „Dabei“, findet der junge Mann, „kann man doch auch bei Regen auf der Straße singen“.

Und dennoch: „Bremen ist in Deutschland meine Lieblingsstadt“, sagt Maki aus Japan. Sie ist seit Anfang Juli am Goethe-Institut im Fedelhören und will dort ihre Deutschkenntnisse auffrischen. Seit 1981 bringen DozentInnen Menschen aus aller Welt am Bremer Goethe-Institut die deutsche Sprache bei. Sechs Unterrichtsblöcke im Jahr, alle zwei Monate ein neuer Kurs. Da Maki erst im nächsten Jahr ihr Film-Studium in Japan fortsetzen kann, lernt sie in der Zwischenzeit Englisch und Deutsch. Nicht „nur aus Spaß“; später will sie in der internationalen Filmbranche rumkommen.

Maki konnte die 2.650 Mark für den Kurs aufbringen, bekommt dafür 24 Unterichtsstunden in der Woche. Den selbst für hiesige Verhältnisse stolzen Preis können sich längst nicht alle der rund 180 StudentInnen aus knapp 45 Ländern leisten. Stipendien vergibt das Institut oder der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).

Wer beim DAAD kein Glück hatte, kann mit viel Fleiß ein Stipendium vom Goethe-Institut seines Heimatlandes bekommen. Als Belohnung für einen dort erfolgreich abgeschlossen Deutsch-Kurs. Peter von Walter, Leiter des Goethe-Instituts in Bremen, hat selbst 16 Jahre lang als „Gast“ und Dozent im Ausland gelebt. Ob in Athen, Kuala Lumpur, Nairobi oder Dar es Salaam, er hat seine StudentInnen immer „sehr gründlich auf die deutsche Wirklichkeit vorbereitet“. „Ich habe ihnen klar gesagt, daß sie mit Ausländerfeindlichkeit rechnen müssen“. Schwierigkeiten mit der Münchner Instituts-Zentrale habe er deswegen nicht bekommen. Das Goethe-Institut gilt KritikerInnen immerhin als kulturimperialistische Einrichtung, die ein arg geschöntes Deutschland-Image im Ausland verbreitet. Von Walter beruft sich auf den Rahmenvertrag zwischen Institut und Auswärtigem Amt. Demnach muß im Ausland ein „ausgewogenes Bild der Bundesrepublik“ vermittelt werden. Er findet, der „hausgemachte Rassismus“ gehöre da auch zu.

Rassismus und Ausländerhatz in deutschen Städten lassen in Bremen die StudentInnenzahlen seit vergangenem Jahr sinken. In der Hauptsaison kamen 1993 rund 50 StudentInnen mehr als in diesem Jahr, eine Einbuße von knapp 25 Prozent. Wie die vorherigen Städte sieht von Walter Bremen als „große Herausforderung“ auf der letzten Etappe vor dem Ruhestand. Durch die existentielle Not der Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern hat er einen anderen Blick für die „deutsche Wirklichkeit“ bekommen. „Unsere Probleme sind gering im Verhältnis zu anderen Ländern“.

Die drohende Pleite des Instituts ist kein geringes Problem. Der „Fast-Jurist“ hat daher mit VertreterInnen der Industrie- und Handelskammer gesprochen. StudentInnen sollen im Anschluß an den Deutschkurs noch ein Praktikum bei einem Bremer Betrieb machen können. Die Investition kann sich für Unternehmen lohnen. Ein Bauingenieur aus Kamerun mit Regierungsauftrag für einen Staudamm wird sich vielleicht mal an seine deutschen Beziehungen erinnern, wenn er Kooperationspartner sucht. Von Walter will außerdem nicht mehr starr an den zweimonatigen Kursen festhalten und so mehr StudentInnen anlocken. Denn: „Die ausländischen Gäste sind unsere ArbeitgeberInnen.“

Von Walter hat sich immer als Gast im Ausland gefühlt, die deutsche Kultur über Gegebenheiten der jeweiligen Länder geführt. In Nairobi und Dar es Salaam hat er afrikanische Kisuaheli-Wissenschaftler eingeladen, über ihre Forschung zu referieren. Nachdem schon im 19. Jahrhundert der deutsche Missionar Krapf ein Lexikon der ostafrikanischen Sprache herausgegeben hatte, setzte er quasi „die deutsche Kisuaheli-Tradition fort“. Nur, daß er zuerst Afrikaner sprechen ließ und dann deutsche Wissenschaftler zum Kolloquium einlud. In Bremen führt von Walter den interkulturellen Dialog weiter. Verschiedene Ausstellungen von KünstlerInnen aus afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern bereichern das internationale Flair in der Schule. Und BremerInnen können vor Ort noch immer fremde Kulturen erleben. Anna Fugger