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My one and only wish: raus!

Die Klimaanlage im Theater des Westens machte die erste Hälfte der Premiere des Gershwin-Musicals „My one and only“ erträglich  ■ Von Barbara Bollwahn

Der Mond hängt wie eine Corega-Tabs-Tablette kurz vor dem Wurf ins Wasserglas am Bühnenhimmel. Der Pilot Billy Buck Chandler und die Kanalschwimmerin Edith Herbert liegen auf einer Insel, die aussieht wie ein überdimensionaler Plumsklodeckel. Verliebt schauen sie sich in die Äuglein. Ihre Verzückung ergreift auch die Zuschauer, die verzückt den Melodien des Liebestaumels auf offener See lauschen. Das Publikum plumpst mitten hinein in den Bühnensommerkitsch made in USA und klatscht begeistert zu „s' wonderful, s' marvelous“. Was schon das „verwöhnte New Yorker Publikum auf Anhieb begeisterte“, so die Ankündigung, gefällt den Hauptstädtern allemal.

Die Erstaufführung des Gershwin-Musical „My one and only“, die Dienstag in Broadway-Besetzung über die Bühne des Theaters des Westens ging, konnte nicht tiefer in die Sommerloch-Hose gehen. Viele der 1.400 Plätze waren leer. Nur in der vollbesetzten ersten Reihe waren große und weniger große Lokalgrößen wie Atze Brauner, Lotti Huber und Georgia Tornow auszumachen. Ungeklärt muß leider bleiben, wer die beiden Männer waren, die mit zwei Damen Champagner schlürften – während der Vorstellung!

George Gershwin und Ira, der die Texte zu den Melodien seines Bruders schrieb, trifft wenig Schuld an der Aufführung des Musicals, das erst elf Jahre nach dem Tode von George, der eigentlich Jacob hieß, entstanden ist. Tote soll man ruhen lassen — erst recht bei diesen Temperaturen. Apropos Temperaturen: Der wahre Star des Abends war die Klimaanlage. Gleichbleibend erfrischend führte sie durch das Geplänkel zwischen Himmel, Wasser und Flugzeugpropeller. Bei schätzungsweise 25 Grad konnte das Blut über soviel Kinderweihnachtsmärchen-Plattheit gar nicht erst in Wallung geraten.

Die Geschichte von „My one and only“ ist schnell erzählt und leicht zu verdauen. Zwischen dem draufgängerischen Piloten Billy, der als erster über den Atlantik bis nach Paris fliegen will und sich nichts sehnlicher wünscht, als sein Conterfei auf dem Time Magazine zu sehen („It's a national dream“), verliebt sich in die Kanalratte, ähm, -schwimmerin Edith. Eifersuchtsintrigen ihres russischen Managers und ein Tank voll Wasser lassen die beiden nicht nur in den Atlantischen Ozean, sondern auch in eine gefällige Liebesgeschichte stürzen.

„My one and only“-Wunsch des Abends: Flucht nach dem ersten Teil, der damit endet, daß die Almsick der zwanziger Jahre die Klodeckelinsel verläßt und widerwillig zu ihrem Zarenmanager, der das R so schön rollt, zurückgeht. Der sonst wagehalsige Chandler bleibt verstört zurück, und die geballte Ladung Hitze auf der Kantstraße ist allemal erträglicher als so viel sommerlicher Schwachsinn. Eine mögliche Erklärung für die flaue und abgeschlaffte Liaison der beiden Hauptdarsteller könnte die Tatsache sein, daß Jodi und Ray Benson (eine „hochkarätige Besetzung“, so die Ankündigung) auch im real american life ein Paar sind. Alles klar?

Bewunderung für Lotti Huber, die, angetan mit einem wallenden, bodenlangen Gewand, mit ihrem großen Federfächer allemal für mehr Erfrischung im Hause als die gesamte Broadway-Crew zusammen sorgte.

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