Nix Krimi, nix Schimmi: Berlin

Tatort Pfefferberg: Der Vertrag fürs Pfefferwerk läuft Ende August aus und wird nicht verlängert  ■ Von Christian Arns

Ein Krimi in Prenzlauer Berg: An der Schönhauser Allee sind die Guten auf der Spur nach Verbrechern, die sich einmal mehr an der Menschheit versündigen möchten. Kriminelle Energie durchfließt die Räume der ehemaligen Brauerei am Pfefferberg, nur ein paar tapfere Streiter für Gerechtigkeit und ein besseres Leben versuchen die finsteren Pläne zu durchkreuzen. Doch zum großen Showdown kommt es nicht zwischen engagierten Künstlern und denen, die sie dort nicht mehr haben wollen. Im umstrittenen Areal wird lediglich eine neue Folge der Fernsehserie „Tatort“ gedreht.

Dabei gibt es auch einen realen Krimi auf dem Pfefferberg, und der ist wesentlich dramatischer: Während die Täter nicht klar zu erkennen sind, stehen die Opfer fest: die vorrangig afrikanischen Gruppen, die an der Anti-Rassismus- Veranstaltungsreihe „Pfeffer World Days '94“ teilnehmen, die Musiker der unzähligen Independent-Konzerte, die längst zum Berliner Kulturleben gehören, die Theatergruppen, Diskussionsrunden und die Frauenbands, die sich bei „Women on stage“ präsentieren können.

Gerade auf diese Reihe ist Kulturmanager Ben Msiid besonders stolz: „Unbekannte bekannt zu machen, das ist eines unserer großen Ziele.“ Über 17.000 Besucher kamen allein im letzten Sommer auf den „Berg“. „Wir werden endlich wieder als feste Adresse angesehen“, freut sich Öffentlichkeitsarbeiter Peter Görbing: „Bei uns melden sich fünf Bands am Tag, die hier gerne mal spielen möchten, Theatergruppen wollen hier proben und auftreten, wir sind längst etabliert.“

Doch einmal mehr droht dem Pfefferwerk das Aus, und diesmal scheinen die Beteiligten Ernst zu machen: „Der Vertrag mit dem Verein läuft bis Ende August und wird nicht mehr verlängert.“ Kerstin Maria Kunitz, Pressesprecherin der Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg (WIP), drückt zwar ihr Bedauern über die WIP- Entscheidung aus, sie sei jedoch nicht mehr zu vermeiden gewesen: „Die Eigentumsverhältnisse müssen endlich geklärt werden.“

Genau darum dreht sich seit nunmehr drei Jahren der Krimi, in dem offenbar nur Unschuldslämmer mitspielen. „Wir drehen uns weiter im Kreis“, konstatiert Heinrich Pieper, Geschäftsführer der gemeinnützigen Pfefferwerk GmbH, genervt. Zu je einer Hälfte wurde das 13.000-Quadratmeter- Areal dem Land Berlin und dem Bund zugeordnet, doch eine Einigung steht noch aus. „Einen zweistelligen Millionenbetrag muß man für den Kauf veranschlagen“, meint Klaus-Hubert Fugger, Sprecher von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU). Gleichzeitig räumt er ein, daß mit dem Bund zur Zeit überhaupt nicht darüber verhandelt werde: „Wir erbringen keine Vorleistungen, solange kein tragfähiges Konzept vorliegt.“

Vermutlich würde Kommissar Schimanski den Senator oder seinen Sprecher am Kragen ziehen, schütteln und anbrüllen: „Und was ist das, ist das nichts?“ Er könnte dabei auf die umfangreiche Nutzungskonzeption verweisen, die der Verein und seine gemeinnützige Gesellschaft im März dieses Jahres eingereicht haben. Doch der Krimi spielt nicht in Duisburg- Rheinhausen, sondern in Berlin.

Und die Wirklichkeit sieht so aus, daß Klaus-Hubert Fugger das Konzept als „nicht realistisch“ und „nicht seriöse Rechnung“ abtut und sagt: „Wir schließen eine Vergabe an einen Dritten nicht aus.“ Die setzt aber voraus, worauf WIP und Pfefferwerk die ganze Zeit warten, die Klärung der Eigentumsverhältnisse. Denn der Verein braucht eine langfristige Verfügungsgewalt; nur so kann er Kredite aufnehmen, um die dringend erforderliche Sanierung der ehemaligen Brauerei zu finanzieren.

Der Teil des Pfefferbergs, der für soziokulturelle Zwecke genutzt werden soll, kann nämlich nach Ansicht Piepers aus Eigenmitteln, Eigenarbeit und Krediten gezahlt werden: „Das Finanzierungskonzept sieht keine Investitionszuschüsse mehr vor, die durch das Land Berlin getätigt werden müßten“, so eine zentrale Änderung gegenüber der ersten Finanzierungskonzeption.

Zwar brauchen die 53 Prozent des Geländes, die gewerblich genutzt werden sollen, kräftig Unterstützung, doch dafür soll Geld aus dem Gemeinschaftswerk „Aufschwung Ost“, also Bundesmitteln, und dem Europäischen Regionalfonds genutzt werden. „Dennoch bleiben 1,6 Millionen Mark laufende Kosten jährlich ungedeckt“, bemängelt Fugger für die Senatsverwaltung für Finanzen.

Diese Lücke gebe es wirklich, bestätigt Heinrich Pieper, jedoch gebe es vom Kultursenat „eine In- Aussicht-Stellung einer ähnlichen Förderung, wie sie die UFA-Fabrik bekommt“. Das seien zwischen 1,3 und 1,4 Millionen, so Pieper, „die restlichen 200.000 Mark sparen wir dann schon irgendwie ein“. Bedingung für eine solche Föderung sei jedoch die Umsetzung des vorgelegten Konzepts, dessen Ernsthaftigkeit Roloff-Momins Kollege Pieroth nun anzweifelt. Außerdem ist er, laut seinem Sprecher Fugger, „gegen ein Unterstützung durch das Land Berlin in dieser Höhe“.

Dabei wird längst gefördert: Sowohl die kulturellen Veranstaltungen des Vereins als auch die sozialen Projekte, die von der Gesellschaft koordiniert werden, gehören zu den Projekten, die als notwendig eingeschätzt werden und daher Geld von verschiedenen Senatsverwaltungen erhalten. Diese Projektförderung wird im Finanzierungskonzept in der Tat vorausgesetzt: „Was bisher als Miete gezahlt wird, dient dann eben der Schuldentilgung“, nennt Pieper ein Beispiel für eine Änderung, die keine Teuerung ist. Beständig teurer wird hingegen die anstehende Sanierung: Bereits im vorletzten Winter froren Heizungsrohre ein und platzten, denkmalgeschützte Gebäude verfallen zusehends. „Wir können uns das nicht mehr leisten“, klagt WIP-Sprecherin Kunitz, „der Ansprechpartner heißt jetzt Senatsverwaltung für Finanzen.“ Sie sei optimistisch, daß nun, wenn der Vertrag nicht verlängert werde, etwas geschehe, schließlich habe sich die Finanzverwaltung positiv gegenüber dem Verein geäußert. Doch das hat kein Kommissar zu Protokoll genommen. Die Darsteller schreiben ihr Drehbuch zum „Tatort Pfefferberg“ selbst. Fugger: „In einer Stadt wie Berlin gibt es immer Nachfrage, wenn wir ein Gelände wie dieses verkaufen wollen.“