Menschen wie du beziehungsweise ich: die Boutiquebesitzerin Von Claudia Kohlhase

Die Boutiquebesitzerin ist immer eine Frau. Sie sitzt in ihrem Laden, als stünde sie ihm vor, und manchmal geht sie hin und her. Das aber nur, wenn sie alleine ist. Dann hängt sie einzelne Kleider um, oder, wenn sie ein Dessousgeschäft besitzt, einzelne Büstenhalter aus Crêpe de Chine. Draußen vor der Tür liegt solange ihr Bobtail, der aber keine Langeweile hat, an der langen Leine. Wenn zu heiß die Sonne scheint wie in diesen Tagen, sieht er aus wie tot. Aber man tut gut daran, über ihn hinwegzusteigen, denn sein Frauchen braucht ab und an ein paar Kunden. Jedenfalls im Grunde. Sonst eigentlich nicht.

Wenn aber mal jemand die zwei Stüfchen in ihr Reich herabgetreten kommt und sich vom stummen Hund nicht hat abhalten lassen, dann kommt eine Art Leben in das gut sortierte Frauchen; zumindest in ihren Kopf, der hinter einer Art Theke sitzt und dort auch sitzenbleiben möchte. Nachher sieht das aus, als hätte sie Kundschaft nötig, wenn sie sich zu abrupt erhebt. Außerdem haben Kundinnen Körper, was die Sache noch mehr erschwert. Denn da paßt ja wieder nichts! Da muß ja aufgestanden und etwas gesucht werden, und am Ende sind noch Kabinen zur Verfügung zu stellen und Spiegel. Als wenn das eine Boutiquebesitzerin interessierte!

Die Boutiquebesitzerin interessiert, wie sie durch den Nachmittag kommt, ohne ihren Ehemann im Auto oder in der Praxis anzurufen. Oder ihre Freundin. Aber die schaut sowieso gleich vorbei. Wegen dieser einen Bluse. Oder dieser andern. Das ist dann immer nett, weil die Maße des Körpers der Freundin so verläßlich zu den Blusen der Boutiquebesitzerin passen. Es ist, als hätte sie nur deswegen diese Blusen in blö.

Natürlich hat sie auch Röcke und Hosen und Gürtel und drei bis vier extrem individuell ausgesuchte Handtaschen, vor allem diese eine, die so gut zu der Bluse der Freundin paßt. Und warum auch nicht: Paßt sie nicht zu der einen Bluse, paßt sie vielleicht zu der anderen. Wenn alle Stricke reißen und die Freundin in ihrem Tenniskränzchen spielt, kreuzt die Boutiquebesitzerin die Ärmel der sieben Leinengemischpullover um, die unbefreundete Kundinnen ungefaltet hinterlassen haben. Gegen zwölf, wenn in der kleinen Straße am Rande der Stadt schon die ein oder andere Rose knickt, probiert die Boutiquebesitzerin die neueste Kollektion durch. Das dauert exakt bis zur Mittagspause, die sie mit einem knackigen grünen Salat verbringt.

Am Nachmittag ist dann genügend Zeit, die Nägel zu lackieren oder ein wenig zu telefonieren mit diesem und jenem und damit durchaus Dinge zu erledigen, etwa Getränkedienstbestellungen oder Cateringaufträge für das bevorstehende Fest am Wochenende. Natürlich kann sie auch gegenüber beim Italiener einen Cappuccino holen, ja, das ist eigentlich noch besser: Da hat sie den Laden im Blick, als wenn jeden Moment jemand käme, und kann sich doch mit Giuseppe ziemlich italienisch ein wenig über die schwierige deutsche Kundschaft unterhalten oder über Venedig oder zur Not auch Capri.

Am Abend schließt die Boutiquebesitzerin sorgfältig ihren Laden ab, nimmt den Hund wieder an sich und besteigt dann ihren zierlichen Jeep, der sie spritzig nach Hause fährt wie ins Blaue.