Liga der leeren Kassen

■ Der französische Fußball startet in seine neue Saison

Hamburg (dpa) – Der Bestechungsskandal um Zwangsabsteiger Olympique Marseille hat das Vertrauen der Franzosen in ihren Fußball bis auf die Grundmauern zerstört und die tristen Weltmeisterschafts-Wochen als nichtqualifizierte Zuschauer empfindlich gestört. Mit schweren Hypotheken startet die „Premier-Division“ in ihre neue Saison und einer ungewissen Zukunft entgegen. Und ebenso ungewiß ist die von Jürgen Klinsmann, der vor dem ersten Spiel des AS Monaco gegen Metz noch immer nicht wußte, ob seine sportliche Laufbahn im Fürstentum oder vielleicht doch beim FC Genua 93 fortgesetzt wird.

Sollte Klinsmann Monaco noch verlassen können, würde dies den Trend untermauern, wonach die „D1“ ausblutet. Viele Legionäre und selbst die einheimischen Stars wie Desailly, Deschamps, Angloma, Boli oder Cantona haben Frankreich in den letzten Jahren den Rücken gekehrt – keinen einzigen namhaften Ausländer kann das 20 Vereine umfassende Feld als neues Gesicht für die kommende Saison vorzeigen. Die Klubs, die praktisch ausnahmslos wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen, begnügten sich vornehmlich damit, sich an der „Konkursmasse“ von Olympique Marseille zu bedienen oder Talente in der Provinz aufzustöbern.

Auch der mit umgerechnet 13 Millionen Mark verschuldete Meister Paris St. Germain mußte sich gesundschrumpfen. Drei Spieler haben die Hauptstädter bereits verkauft, und auch der brasilianische Spielmacher Rai soll noch für sechs Millionen Mark nach Japan transferiert werden. Neuzugänge von Format erhielt Trainer Luis Fernandez, der den Portugiesen Artur Jorge ablöste, zu seinem Leidwesen nicht: „Mein Vorgänger hatte mehr Glück als ich. Jeder Wunsch wurde ihm genehmigt.“

Dennoch dürften die Pariser auf ihrem Weg zur Titelverteidigung allenfalls vom AS Monaco gefährdet werden können. Nach dem miserablen achten Platz in der abgelaufenen Saison muß Trainer Arsene Wenger zwar ohne Gnako, Simba (beide nach Sochaux), Torhüter Ettori (beendet Laufbahn) und vermutlich auch Klinsmann planen. Doch mit dem brasilianischen Stürmer Sony Anderson von Servette Genf, der in den vergangenen sechs Monaten auf Leihbasis in Marseille spielte, sowie Verteidiger Di Meco, ebenfalls aus Marseille, erhielt das Team um Spielmacher Enzo Scifo einen adäquaten Ersatz. Die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb haben Fürst Rainer und Prinz Albert, Sponsoren und Förderer des Vereins, zur Pflicht gemacht.

Im weiteren Kreis der Titelanwärter steht in erster Linie Girondins Bordeaux, das sich aus dem Marseille-Kader Vorstopper Prunier und Mittelfeldspieler Duteul angelte. Aber auch Pokalsieger Auxerre und Racing Straßburg, wo der ehemalige Stuttgarter Gilbert Gress durch den Schweizer Trainer Jeandupeux ersetzt wurde, machen sich vage Titelhoffnungen. Davon kann beim AS St. Etienne keine Rede sein. Die Mannschaft um Roland Wohlfarth hat drei Stammspieler ziehen lassen – und bisher niemanden gekauft.

Und Olympique Marseille? Die übriggebliebenen Trümmer des einstigen Europapokal-Siegers starten heute gegen Le Mans zum Unternehmen Wiederaufstieg. Wahrscheinlich ohne Rudi Völler, der sich die undankbare Tingeltour durch die Provinz auf seine alten Fußballer-Tage liebend gern ersparen würde und guter Hoffnung ist, das sinkende Olympique- Schiff noch verlassen zu können.