Trüffelsuche

■ betr.: „Tick, Trick und Track“, taz vom 8.7.94

Loserscore? Ach nee, sowas also ist Beck. Und von wegen Homerecording muß es jetzt wohl heißen: „Ich habe die Zukunft des Rock 'n‘ Roll gesehen, sie sieht aus wie 15, beherrscht die Tastatur des Tapedecks und heißt Beck.“ Dont believe the hype. Wer von Geffen gefüttert und gehoben wird, der darf nicht gleichzeitig die Gnade in Anspruch nehmen, ein Loser zu sein, auch wenn er sich wie Neil Young auf X-tasy anhört. Ich weiß, alles an Beck ist reine Ironie, und was er anfaßt, egal wie alt die Hose ist, bekommt den Lebenshauch des Genialen. Er ist lustig. So lustig, wie man in seinem Alter sein darf. Er ist respektlos. Bitte, darf er, soll er, ja muß er sogar sein. Und ich mag ihn. Aber eine neue Welle sehe ich da nicht. Einen Trend kann man sicherlich da rausprügeln, klar doch, ging ja schon bei Grunge. War ja ähnlich, hörte sich ja auch irgendwie an wie der gute Neil. Ist dadurch ja wieder mordsgefragt, der Alte. Und Woodstock kommt im Doppel-Revival. Und damit's keiner merkt, wie wir mit dem Mischmasch der alten Hüte zugeschissen werden, kriegt der kleine Beck so viele Schulterklopfer, bis er selber daran glaubt, die quicke Vermatschung aller aktuellen Stile sei das Genialste in diesem Jahr. Und die Vereinigung aller Musikschreiberlinge tanzt in andächtiger Lobhudelei händchenhaltend außenherum. Ja, der Junge kriegt seine Oscars. Ohne Frage. Ihr seid Euch ja alle so toll einig. Habt wahrscheinlich alle schon einen kleinen Stoff-Beck zum Rumknuddeln von Geffen bekommen.

Es gibt wirklich Besseres dieses Jahr, aber im Vergleich zu Peter Gabriel und Konsorten ist der Junge reines Zucker, und so unglaublich progressiv, ja unkommerziell und wahnsinnig experimentierfreudig. Ich überlege mir schon die ganze Zeit, wer sich nächstes Jahr von Volkswagen die Tour sponsern läßt. Ich glaube, ich komme so langsam drauf.

Gebt dem Jungen Zeit, vielleicht hat er es wirklich. Vielleicht ist's ja der moderne Klassiker, das Ding und die Spur in die Zukunft. Momentan jedenfalls wird ihm mit aller Gewalt die Möglichkeit einer zweiten, guten CD verbaut. Weil: Der darf sich ja gar nicht mehr entwickeln, der ist ja das „role-modell“ aller unkommerziellen, armen Musiker-Schweine. Wie der aus dem aufkommenden Kurt-Cobain-Schlamasel wieder rauskommt, interessiert mich allerdings.

Viel Glück beim zukünftigen Trüffelsuchen! Andreas Allgeyer,

Graben Neudorf