Mit Glanz, aber ohne Gloria

■ Viele Ex-HannoveranerInnen verschweigen gerne ihre Herkunft. Warum nur? Eine ernsthafte Würdigung der schönen Leinestadt von Uli Exner

Hannoveraner neigen zum Understatement. Zu einer außerordentlich ausgeprägten Art von Understatement sogar. Die zentralnieder-sächsische Bescheidenheit reicht sogar soweit, daß diejenigen, die Stadtgrenze und anliegende Zuckerrübenfelder hinter sich gelassen haben, auf der Stelle vergessen, woher sie eigentlich kommen.

Nur unter Aufwendung gewieftester Inquisitionsmethoden gelingt es zum Beispiel, einen Hannoveraner, der sich zwischenzeitlich in St. Pauli niedergelassen hat, zu einem Geständnis dieser Art zu bringen: „Okay, okay, stimmt, ich komme, äh, aus Stöcken.“ Stöcken? „Naja, das ist ein Stadtteil von Hannover.“ Ende der Durchsage. Jeder weitere Versuch, das Gespräch fortzusetzen – keine Chance.

Dabei ist Hannover sooo schön. Jedenfalls an einigen Stellen, die zu finden allerdings einem desinformierten Hamburger nicht allzu leicht fällt.

So benötigte eine ins Funkhaus Hannover abgeordnete NDR-Redakteurin immerhin eineinhalb Jahre, um festzustellen, daß zwei Häuserblocks von ihrem Backsteinbau entfernt, eine jener zahlreichen kleinen, feinen Parkanlagen beginnt, die dem gemeinen Hannoveraner nicht nur als Erholungs-, sondern auch als recht intensiv genutzte Kommunikationszentren dienen.

Die Kollegin hatte sich vor ihrem Ortswechsel ausführlich, wie sie betont, über die Stadt informieren lassen. Von einem in Hamburg ansässigen Ex-Hannoveraner. Demnächst kehrt sie nach Hamburg zurück, wo sie sich nun voraussichtlich dem Club peinlich-berührt-schweigender-Ex-Hannoveraner (CpbsEH e.V.) anschließen wird.

Denn die niedersächsische Landeshauptstadt hinterläßt – auch wenn es die meisten früheren Hannoveraner partout nicht wahrhaben wollen – Spuren im Unterbewußtsein ihrer Ex-Bewohner. Die tiefe Neigung der Leinestädter, sich in Vereinen zusammenzuschließen zum Beispiel. Sie ist ebenso wie die bereits erwähnte Tendenz zum Understatement ein Erbe der britischen Vergangenheit Hannovers, das sich auch in der Fremde nur schwer verleugnen läßt.

So finden sich in verschiedenen Hamburger Kleingarten-Vereinen, Rommérunden und Skatclubs etc. überdurchschnittlich viele Hannoveraner. Nicht wenige von ihnen als Kassenwarte, Schriftführer, Vorstände an derart hervorgehobener Stelle, daß es ihnen in der Regel ein Leichtes ist, Vereinsausflüge nach Hannover zu verhindern.

Bei dieser Ausgangslage ist es wenig verwunderlich, daß Hamburger übers Wochenende eher mal einen Abstecher in abgelegene Provinznester wie Lüneburg, Braunschweig, Kiel oder gar Osnabrück machen, als die halbstündliche Taktverbindung der Bundesbahn in die 160 Kilometer entfernte Landeshauptstadt an der Leine zu nutzen. Wenn überhaupt, fährt man beruflich bedingt zur Hannover-Messe – und damit zielsicher an der Stadt vorbei.

Schade eigentlich ....