Viel zu wenig grüne Punkte

■ Die Ergebnisse des Dualen Systems liegen weit unter dem Soll-Wert / GAL kritisiert Untätigkeit der Umweltbehörde Von Marco Carini und Tammo Löffler

„Ein Meilenstein in der Geschichte der Industriegesellschaft“, jubeln die Manager des Dualen Systems Deutschland (DSD) in ihrer neuesten Hochglanzbroschüre, sei ihr „einzigartiges Verwertungssystem“. Dessen „Durchbruch“ sei nunmehr „weitgehend gelungen“.

Die nackten Zahlen aber sprechen eine andere Sprache: Wie schon 1993 werden die Sammler und Verwerter auch im laufenden Jahr die vorgeschriebenen „Erfassungsquoten für Verpackungen“ zumindest in der Hansestadt um Längen verfehlen. Für GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller steht deshalb fest: „Das Duale System ist faktisch am Ende“.

50 Prozent des produzierten Verpackungsmülls, so schreiben die Gesetzesrichtlinien verbindlich vor, müssen die DSD-Entsorger seit Mitte 1993 nach Gebrauch wieder einsammeln. Volker Pasch von der Arbeitsgemeinschaft der am DSD beteiligten Hamburger Abfallverwertungsfirma ARGE aber räumt freimütig ein: „Wir schaffen 1994 höchstens 40 Prozent.“

Nur bei der Altpapiersammlung wird nach den Zahlen der ARGE die Quote erfüllt werden. Am schlimmsten sieht es bei der „Leichtstoff-Fraktion“ aus, die in den gelben Säcken und Tonnen gesammelt wird. Bei den Verpackungen aus Kunststoff, Aluminium, Weißblech oder Verbundstoffen liegt die momentane Erfassungsquote bei lächerlichen 13 Prozent.

Konsequenzen hat der Sammel-flop vorerst nicht: Zwar kann die Umweltbehörde dem Dualen System die sogenannte Freistellungserklärung – die den Einzelhandel von der Pflicht befreit, ausgediente Verpackungen an der Ladentheke zurückzunehmen – für alle Verpackungsmaterialien entziehen, bei denen die vorgegebenen Sammelziele nicht erreicht werden. Oskar Mexer, Referatsleiter für kommunale Abfälle der Umweltbehörde: „Das ist laut Verpackungsverordnung jederzeit möglich“.

Doch das Gegenteil passiert. Obwohl die ARGE die gesetzlichen Sammel-Vorgaben bei weitem nicht erfüllen konnte, erhielt der Entsorger-Verbund erst vor wenigen Tagen eine einjährige Verlängerung der Freistellung für Kunststoffverpackungen. Behörden-Sprecher Kai Fabig: „Das Duale System ist in Hamburg sehr langsam angelaufen. Deshalb haben wir die Verlängerung genehmigt“.

Doch an der schleppenden Einführung gelber Tonnen und Säcke, auch das beweisen die neuesten Arge-Zahlen, liegt die Sammel-Malaise nicht. Denn statt zumindest langsam zu klettern, sinkt die Erfassungsmenge selbst bei den Fraktionen, die noch die besten Ergebnisse ausweisen: Bei Glas im ersten Halbjahr dieses Jahres von 56.5 Prozent (1993) auf 54 Prozent aller benutzten Einweg-Glasverpackungen, bei Papier gar von 54,3 auf 42,5. Prozent.

Besserung ist nicht in Sicht. Denn 1995 schnellen die geforderten Erfassungsquoten weiter in die Höhe. Müssen die Entsorger heute nur 60 Prozent aller Glasverpackungen und 30 Prozent des Altpapiers in den Verwertungskreislauf einspeisen, sind ab Juli kommenden Jahres bei allen Verpackungsmaterialien 80 Prozent gefordert.

Doch dann soll es nach Auffassung der GAL die gelben Säcke für die grünen Punkte schon nicht mehr geben. Antje Möller kündigt an: „Wenn die miserablen Sammel-Ergebnisse stimmen, werden wir in der Bürgerschaft die Rücknahme der Freistellungserklärung für die Fraktionen fordern, bei denen die vorgeschriebenen Quoten nicht erreicht worden sind.“ Der Umweltbehörde wirft die Abfallexpertin vor, das Duale System durch die Freistellungs-Verlängerung „künstlich am Leben zu halten“.

Wenn nach einem Widerruf der Freistellungserklärungen nur ein Teil der VerbraucherInnen den Verpackungsmüll in den Geschäften zurückläßt, so Möller, „ensteht in den Läden ein Chaos. Dann werden die GeschäftsführerInnen die Hersteller schon unter Druck setzen, nur noch wirklich unvermeidbaren Verpackungsmüll herzustellen“.