Ein Riese lernt schwimmen

■ Luxusliner „Oriana“ in Papenburg erstmals mit einer Handbreit Wasser unterm Kiel

Papenburg Die Männer mit dem Besen standen schon bereit, als die „Oriana“ am Samstag vormittag langsam aus dem Dock der Meyer Werft in Papenburg in die Ems glitt. Während das mit 67.000 Bruttoregistertonnen (BRT) größte Schiff, das von der Meyer Werft in der 199jährigen Geschichte des Familienunternehmens gebaut wird, für eine Woche im Hafenbecken schwimmt, ist im größten Trockendock der Welt nicht nur Großreinemachen angesagt. Das nächste von drei weiteren Kreuzfahrtschiffen muß sofort auf Kiel gelegt werden, um rechtzeitig im November 1995 abgeliefert zu werden.

Vorübergehend schien Gefahr zu drohen, daß die „Oriana“ nicht pünktlich im März 1995 an den englischen Kreuzfahrtveranstalter P&O Cruises übergeben werden könnte. Um das 260 Meter lange und 32 Meter breite Schiff in die 40 Kilometer von Papenburg entfernte Nordsee bei Emden zu bringen, muß die Ems auf 7,30 Meter ausgebaggert werden. Für das vorletzte von Meyer gebaute Schiff, den Luxusliner „Zenith“, hatten noch 6,80 Meter Flußtiefe ausgereicht.

Gegen die erneute Emsvertiefung liefen Umweltverbände und die um ihre Fanggründe besorgten Emsfischer sturm. Vorübergehend wurde ein Stopp der bereits begonnenen Ausbaggerungen per Gerichtsbeschluß durchgesetzt. Der Streit zwischen Ökonomie – der Werftstandort Papenburg bietet 1.800 Arbeitsplätze im strukturschwachen Emsland – und Ökologie wurde beendet, als das Land Niedersachsen 7,5 Millionen Mark ökologische Ausgleichszahlungen zusagte.Von weiteren zehn Millionen Mark ist die Rede. Verbände und Fischer verzichteten daraufhin auf mögliche Rechtsmittel.

Das Ausdocken vor geladenen Gästen hatte viele Schaulustige, aber keine protestierenden Umweltschützer angelockt. Nur im entfernten Oldenburg grollte der Biochemiker Thomas Höpner, Mitglied des Beirates für Naturschutz- und Landschaftspflege des Bundesumweltministeriums, in einem Zeitungsinterview, daß den Verbänden „Klagerechte abgekauft“ worden seien.

Am 9. April nächsten Jahres wird die für gehobene britische Ansprüche konzipierte „Oriana“ von Southhampton mit 1.975 Passagieren erstmals auf Atlantik-Kreuzfahrt gehen. Der günstigste Zwei-Wochen-Trip im schwimmenden Luxushotel, das die Auftraggeber sich 480 Millionen Mark kosten lassen, kann für knapp 3.000 Mark gebucht werden. Für eine Balkon-Suite müssen pro Person das Doppelte gezahlt werden.

Karin Güthlein, dpa