■ Das Portrait
: Aubelin Jolicoeur

Da, wo andere begraben sind, wurde er geboren. Vor siebzig Jahren war seine schwangere Mutter müde, ruhte sich auf dem Friedhof aus und siehe da, alsbald setzten die Wehen ein: Aubelin Jolicoeur erblickte das Licht der Welt. In Haiti ist er längst eine Institution und gehört quasi zum Inventar des Landes. Aubelin Jolicoeur ist seit 45 Jahren Journalist, als solcher hat er Vater und Sohn Duvalier, „Papa Doc“ und „Baby Doc“, kommen und gehen sehen, Staatsstreiche, Diktaturen und das kurze demokratische Intermezzo der Präsidentschaft Aristides überstanden und publizistisch begleitet.

Wer Jolicoeur kennenlernen will, braucht in Port-au- Prince nur das „Oloffson“ aufzusuchen, dieses bizarre, im „Gingerbread“-Stil gebaute hölzerne Hotel. Dort kreuzt er dreimal täglich auf, immer in seidenem Hemd, schickem hellem Anzug und vor allem mit seinem Markenzeichen, dem Gehstock mit vergoldetem Knauf.

Im Roman „Die Stunde der Komödianten“, der das Terrorregime François Duvaliers zum Thema hat, setzte Graham Greene dem Journalisten 1965 ein Denkmal – in der Figur des Petit Pierre. Greene habe die Diktatur karikiert, sagt Jolicoeur, der für den Schriftsteller, mit dem er im „Oloffson“ viele Abende lang diskutiert hat, nur gute Worte findet. Dies erkläre auch die Rolle, in der er ihn gezeichnet habe – als einen Journalisten mit dubiosen Beziehungen zu den „Tontons Macoutes“, den Mordgesellen der Diktatur.

Wer die Verfilmung des Romans gesehen hat, wird Jolicoeur sofort wiedererkennen. Er gleicht dem exzentrischen mondänen Petit Pierre aufs Haar, ist genauso schrecklich eitel und in sich selbst verliebt wie jener. 250.000 Dollar habe ihm Peter Glenville für die Rolle geboten, behauptet Jolicoeur.

Graham Greenes Vorbild für den Journalisten Petit Pierre Foto: thos

Doch er habe abgelehnt, weil er dann nicht mehr in sein Haiti hätte zurückkehren können. Denn „Papa Doc“ hatte den Roman verboten.

In der Welt herumgekommen ist Jolicoeur trotzdem, auch Berlin hat er kennengelernt – ein Jahr nach dem Bau der „Schandmauer“. „Ich galt als der Twist-König von Berlin“, sagt er mit vereinnahmendem Lächeln und zückt ein Foto, das ihn mit elegant verrenktem Körper zeigt. Wenn man ihn so sieht, möchte man ihm nachsehen, daß er einen Mann wie General Cédras, der das Land mit einem beispiellosen Terror überzogen hat, dem Armenpriester und gestürzten Präsidenten Aristide vorzieht. Thomas Schmid