■ Italiens Star der Politik, Bettino Craxi, bekam 8 1/2 Jahre
: Endstation

Mehr als eineinhalb Jahrzehnte war Bettino Craxi der unumstrittene Star der italienischen Politik, unaufhaltsam, machtbesessen, durchtrieben – nun sitzt er im tunesischen Hammamet und überschüttet Anwälte, Gerichte, Zeitungsredaktionen mit Hunderten von Fax-Schreiben mal weinerlichen, mal präpotenten Tones. Sie alle zeigen vor allem eines: den totalen Realitätsverlust dieses einst gefeiertsten aller Italo- Politiker. Er weiß und wehrt sich doch dagegen, daß sein politisches Ende besiegelt scheint, die von ihm in der zweiten Hälfte zentral bestimmte „1. Republik“ wohl endgültig perdu ist. Daran würden selbst Strafmilderungen in der 2. Instanz nichts ändern.

Das Urteil des Mailänder Schwurgerichtes mag in deutschen Augen überhart aussehen – für (externe) Beteiligung am betrügerischen Bankrott einer Bank bekäme einer bei uns gerade mal eineinhalb Jahre, mit Bewährung. Doch gerade die hohe Strafe – wäre es nach dem Staatsanwalt gegangen, hätte es sogar elf Jahre gesetzt – trägt just die Handschrift, die Craxi und Genossen der italienischen Justiz jahrzehntelang aufgedrängt haben: überhohe Strafandrohungen, um der Bevölkerung vorzuspiegeln, wie ernst man es mit der Sauberkeit doch tatsächlich nehme; und gleichzeitig war man sich gewiß, daß niemand aus den höheren Etagen jemals dafür verurteilt würde – schließlich hatte man im selben Zug die Beweismöglichkeiten enorm eingeschränkt. Notfalls wurde ab und zu gar das Staatsgeheimnis darüber verhängt. Ähnlich hohe Sühnen hatten die Gesetzgeber denn auch etwa für Korruption und im Parteienfinanzierungsgesetz (bis zu vier Jahren) festgelegt, bei jeweils faktischer inexistenter Kontrolle.

Genau in diesem feingesponnenen Netzwerk aus Show-Strenge und De-facto-Undurchführbarkeit haben sich Leute wie Craxi verheddert, weil das Undenkbare geschehen ist: Energische, schlaue Staatsanwälte haben nicht mehr wie früher nach „Indizienbeweisen“ gesucht, sondern Geständnisse gefordert: zuerst in den unteren Etagen, dann immer höher, bis sie am Ende bei Managern und Politgrößen angelangt waren. Das versteht Craxi bis heute noch nicht. Ihm gilt das eherne Gesetz des cosi fan tutti, alle machen's so; und wer mitverwickelt ist, wird niemals aussagen. Dabei funktioniert das Gesetz durchaus noch – nur inzwischen einfach andersherum: cosi fan tutti – alle gestehen.

Nur Craxi hat das nicht erkannt. Vielleicht ist Hammamet auch zu weit von Rom entfernt, um all das zu begreifen. Werner Raith, Rom