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■ Die hohe Arbeitslosigkeit hat die Gesellschaft verändertJeder holt sich längst, was er braucht

Wenn sich die Gesellschaft verändert, dann nicht durch die Politik. Im Gegenteil, die Politik hinkt in ihren Entwürfen und Gegenentwürfen oft nur dem hinterher, was sich an Veränderungen im Leben der Menschen schon längst getan hat. Einen Beweis für die These liefert der gegenwärtige Arbeitsmarkt. Damit sind nicht die Zahlenkolonnen gemeint, die allmonatlich von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegeben werden, sondern die Personen, die Arbeit haben, Arbeit suchen und Arbeit vergeben und bezahlen. Längst gibt es hier schon all das, wovon Politiker in Regierung und Opposition ohne Unterlaß reden, was sie herbeibeschwören und verteufeln.

Ein paar Beispiele: Niedriglöhne? Gab es immer und gibt es auch weiterhin. Das sind Billigtarife im Dienstleistungsgewerbe, Arbeit unter Tarif bei den Zeitarbeitsfirmen. Niedrigere Lohnnebenkosten? Längst Wirklichkeit. Vielen Beschäftigten, beispielsweise in der Gastronomie und in Arztpraxen, wird ein niedriger Bruttolohn gezahlt – den Rest gibt es „schwarz“ obendrauf. Immer mehr Tätigkeiten werden an „Scheinselbständige“ ausgelagert. Das spart Sozialversicherungsbeiträge. Ganz zu schweigen von den Millionen „Schwarzjobs“ gegen Bargeld in Privathaushalten, für die Kinder- und Altenpflege.

Durch die niedrige Entlohnung werden Nischen für diejenigen geschaffen, die sonst noch weniger Chancen hätten. Zeitarbeitsfirmen bieten älteren Erwerbslosen eine Chance, die sonst völlig draußen wären. Der niedrige Bruttolohn mit der „Schwarzprämie“ obendrauf läßt den Beschäftigten immerhin den vollen Krankenversicherungsschutz und kürzt nur die Rente. Und die Millionen „Schwarzjobs“ in deutschen Kinderzimmern bieten vielen Müttern eine Verdienstmöglichkeit.

So gesehen gibt es eigentlich längst die staatlichen Transferzahlungen für Niedrigverdiener, sie kommen nur anders daher: es ist etwa das Arbeitslosengeld, welches das Honorar als „Selbständiger“ ergänzt. Beispielsweise der Krankenversicherungsbeitrag, den die Arzthelferin auf niedrigem „Brutto“ gewissermaßen selbst kürzt. Die Versicherungsbeiträge, welche die „Tagesmutter“ nicht zahlt, weil sie über ihren Mann versichert ist.

Ob man diese Entwicklung nun verteufelt oder akzeptiert – bemerkenswert sind immerhin doch die Selbstheilungskräfte, nicht des Marktes, sondern der Personen, die sich darin bewegen. So gesehen erscheint der Katastrophismus, mit dem ständig die 3,5 Millionen Arbeitslosen beschwört werden, in anderem Licht – ebenso wie das Gejammere über „Sozialmißbrauch“ auf der anderen politischen Seite. Beiden Reden ist die Angst vor der Unordnung gemein – der Unordnung, die entsteht, wenn Personen versuchen, sich in der Welt bestmöglich einzurichten. Barbara Dribbusch

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