Ozonbremse zieht an

Zweiter Ozonalarm in Hessen / Tempolimit auch ohne Verordnung in Sachsen-Anhalt  ■ Von Klaus Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Vierundzwanzig Stunden freie Fahrt auf den hessischen Straßen haben genügt, um die Ozonkonzentration auf die Rekordmarke des Sommers ansteigen zu lassen. Die Station Frankfurt/Main verzeichnete 300 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Auch an 14 weiteren Stellen wurde weit mehr als der neuen Grenzwert von 215 Mikrogramm gemessen. Samstags um 18 Uhr löste das Umweltministerium erneut Ozonalarm aus.

Staatssekretär Rainer Baake (Bündnis 90/Grüne) hatte Freitag abend nach 72 Stunden die Verkehrsbeschränkungen aufgehoben, die erstmals wegen überhöhter Ozonkonzentrationen angeordnet worden waren. Die Meßwerte hatten sich auf weit unter 200 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft eingependelt. Ob die Aufhebung des Alarms tatsächlich Ursache des erneuten, drastischen Anstiegs war, soll jetzt untersucht werden. Im Augenblick, so Staatssekretär Baake, könne das noch nicht „mit abschließender Sicherheit“ gesagt werden. Sicher ist allerdings, daß die AutofahrerInnen auch am Wochenende wieder mehrheitlich die Ozonbremse befolgten – 90 Stundenkilometer auf Autobahnen und 80 auf allen übrigen Überlandstraßen. Mehr noch: Sie scheinen nach den Lobeshymnen der vergangenen Tage geradezu stolz darauf zu sein, von den Regierenden des Landes zur ökologischen Elite ernannt worden zu sein. Niemand will mehr ein „Umweltschwein“ sein – und rauscht doch einmal ein schnelles Geschoß auf der linken Spur vorbei, dann winkt der „Effefinger“ hinterher. Nur den MotoradfahrerInnen scheinen die Ozon-Transparente glatt am Allerwertesten vorbei zu gehen. Auf der A 5 jedenfalls bretterten die Bikes mit Tempo 200.

Gefreut hat sich nach einer ersten Analyse auch die Autobahnpolizei. Von Mittwoch bis Freitag gab es in ganz Hessen nicht einen einzigen Stau – und nur einen einzigen schweren Unfall. Damit scheint das Hauptargument gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen widerlegt. Die rot-grüne Landesregierung jedenfalls hat das Umweltministerium mit der „exakten Auswertung“ der Erkenntnisse beauftragt.

Im Nachbarland Sachsen-Anhalt will die soeben gewählte, ebenfalls rot-grüne Landesregierung so lange gar nicht warten. Kaum hatte Hessen seinen Alarm vorübergehend aufgehoben, schalteten auf der Autobahn nach Berlin die Ampeln des Verkehrsleitsystems auf Tempo 80 – zehn Stundenkilometer weniger als in Hessen. Eine Ozonverordnung besitzt das Land nicht. Die dauerhaft über 180 Mikrogramm Ozon pro Kubbikmeter Luft anzeigenden Messungen schienen der Regierung jedoch Grund genug, zur Tat zu schreiten. Die Ozonbremse wurde auch hier weitgehend befolgt. Immerhin ist das sachsen-anhaltinische Tempolimit nicht auf Transparenten am Rande, sondern polizeiamtlich auf den Leuchtbalken des Verkehrsleitsystems quer über der Fahrbahn angeordnet. Und anders als in Hessen, werden Überschreitungen der Richtgeschwindigkeit um mehr als 20 Stundenkilometern mit Bußgeldern bestraft. Auch hier meldet die Landespolizei deutlich weniger Staus auf der tempoberuhigten Strecke. Die Auswirkungen auf die Ozonbildung will die Regierung ebenfalls untersuchen lassen.