Bemühungen um inneren Frieden

■ Zwar beschworen die Außenminister der fünf Länder der "Bosnien-Kontaktgruppe" am Samstag in Genf öffentlich ihre Einigkeit. Hinsichtlich schärferer Sanktionen gegen die bosnischen Serben war das Ergebnis ...

Zwar beschworen die Außenminister der fünf Länder der „Bosnien-Kontaktgruppe“ am Samstag in Genf öffentlich ihre Einigkeit. Hinsichtlich schärferer Sanktionen gegen die bosnischen Serben war das Ergebnis des Treffens eher dünn.

Bemühungen um inneren Frieden

Minuten zuvor hatte Andrej Kosyrew das Verhältnis zwischen Rußland und den USA noch „hervorragend“ genannt und dabei seinem Nachbarn zur Rechten, Warren Christopher, freundlich zugelächelt. Auf eine entsprechende Frage des ITAR-TASS-Korrespondenten hin lobte der russische Außenminister das Nato-Programm „Partnerschaft für Frieden“ und erinnerte an die „gemeinsame Bosnien-Position der Präsidenten Jelzin und Clinton beim politischen G-8-Gipfel Anfang Juli in Neapel“.

Doch als ein US-Journalist nach einer Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung fragte – die Christopher zu Beginn der Pressekonferenz als immer wahrscheinlicher bezeichnet hatte, falls die bosnischen Serben auf andere Druckversuche nicht reagieren –, setzte Kosyrew seine düstere Miene auf. Es sei natürlich das Recht des US-Kongresses, „eine einseitige Aufhebung des Embargos durch die USA zu beschließen“. Doch wolle er „nur daran erinnern, daß es in der Duma in Moskau einige Hitzköpfe gebe, die dann einen Beschluß zur Aufhebung des Embargos für die Serben durchsetzen könnten“.

Daß in Washington Hitzköpfe am Werke seien, hat Moskaus mit allen rhetorischen und taktischen Wassern gewaschener Chefdiplomat zwar nicht explizit gesagt. Doch alle im Saal sollten es genau so verstehen. Christophers ohnehin meist bewegungslose Diplomatenmaske wurde dann noch eine Spur starrer. Und wie seine Amtskollegen aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland vermied der US-Außenminister jegliche Regung und jeden Blickkontakt mit dem Russen, als dieser daran erinnerte, daß „die Uneinigkeit der großen Mächte 1914 in Sarajevo schon einmal Ursache eines Weltkrieges“ gewesen sei.

Schon allein die Körper- und Augensprache der Protagonisten der Pressekonferenz am Samstag nachmittag im Ballsall des Genfer Hotels „Intercontinenal“ strafte ihre unisono vorgetragene Behauptung von der „Einigkeit in der Kontaktgruppe“ Lügen. Bundesaußenminister Kinkel bezeichnete in seiner offiziellen Stellungnahme die „Bewahrung“ dieser Einigkeit als „das wichtigste Ergebnis“ des über vierstündigen Außenministertreffens. Mit dieser Feststellung unterstrich Kinkel geradezu, wie dünn das Ergebnis in der Substanz ist. Hinter den Kulissen waren von Mitgliedern aller fünf Außenministerdelegationen denn auch ganz andere Einschätzungen zu hören.

Einige sprachen noch diplomatisch zurückhaltend von einer „Vielfalt der Meinungen“. Andere nannten das Treffen geradeheraus einen „völligen Flop“. Diplomaten eines Kontaktgruppenlandes, das die Vorstellungen der USA über konkretere Beschlüsse und schärfere Druckmaßnahmen auf die bosnischen Serben unterstützt, äußerten sich „überrascht darüber, wie der britische Außenminister Hurd heute – noch stärker als Kosyrew – auf die Bremse getreten und weitergehende Entscheidungen verhindert“ habe.

In der Delegation von Außenminister Kosyrew zeigte man sich am Samstag „hoch zufrieden“ darüber, in der Passage der Erklärung über die bisherigen Ausschlußzonen für schwere Waffen, Sarajevo und Goražde, sowie etwaige zusätzliche Ausschlußzonen und deren Durchsetzung jegliche Erwähnung der Nato „verhindert“ zu haben.

In der ersten Reihe unter den Journalisten saß am Samstag ein zumeist hintergründig lächelnder David Owen. Der EU-Vermittler ist, wie sein UNO-Kollege Thorvald Stoltenberg, zwar noch immer offiziell in Diensten und erhält monatlich über 20.000 US-Dollar aus einer schwarzen Kasse in Brüssel. Doch seit die Kontaktgruppe Ende Dezember das Heft in die Hand nahm, war der ehrgeizige Lord immer mehr in den Hintergrund und in Vergessenheit geraten. Sein „geheimer“ Brief an die EU-Außenminister, in dem er pünktlich zum Treffen der Kontaktgruppe eine „totale Wirtschaftsblockade Serbiens“ sowie die Bombardierung serbischer Stellungen in Bosnien und Kroatien vorschlug, wurde in Genf denn zumeist auch als Versuch Owens empfunden, sich wieder in Erinnerung zu bringen. Seine Genugtuung darüber, daß nach ihm und Stoltenberg jetzt auch die Kontaktgruppe gescheitert ist, konnte er jedenfalls kaum verbergen. Andreas Zumach, Genf