: „Vier bis sechs Stunden sind erlaubt“
■ Um die Drogenszene zu „verunsichern“, wird schon mal grundlos eingesperrt Von K. von Appen
Beamte des Einsatzzugs Mitte müssen sich erneut schweren Vorwürfen stellen. Im Juni erst hatte die Polizeieinheit Demonstranten auf der Kundgebung gegen den österreichischen Rechten Jörg Haider brutal mißhandelt – taz berichtete. Vor kurzem nun haben Mitglieder des Polizeitrupps bei einem „Schwerpunkteinsatz“ gegen Cannabis-Dealer zehn Schwarzafrikaner im Schanzenpark festgenommen und mehrere Stunden grundlos eingeknastet. Der Gambier Tijan Fofana hat Strafantrag wegen „Freiheitsberaubung“ gestellt, der GALier und Polizist Manfred Mahr wird die „unglaublichen Vorfälle“ in die Bürgerschaft bringen.
Tijan Fofana aus Bad Oldesloe ahnt nicht Böses, als er sich am 1. Juni dieses Jahres von Oldesloe auf den Weg nach Hamburg macht. Der zweifache Vater, der seit sechs Jahren in Deutschland lebt und mit einer Oldesloer Journalistin verheiratet ist, sucht zunächst in der Elbmetropole geschäftlich einen Schiffsmakler auf, um dann noch privat einen Landsmann in Eimsbüttel zu besuchen. Fofana: „Wir wollten über den gemeinsamen Urlaub in Afrika sprechen.“ Da sein Freund nicht zu Hause ist, macht er sich gegen 17.15 Uhr im Schanzenpark nach ihm auf die Suche – im Sommer ist der Park ein Treffpunkt für Afrikaner.
Im Park trifft Tijan Fofana einen Bekannten, mit dem er sich auf eine Bank setzt und unterhält. Ein weiterer Landsmann, der mit dem Fahrrad auf dem Weg zu Arbeit ist, setzt sich kurz dazu. Fofana: „In dem Park habe ich mich etwa 15 Minuten aufgehalten und hatte mit weiteren Personen keinerlei Kontakt.“ Plötzlich seien Polizeibeamte an ihn herangetreten und hätten den „Passport“ verlangt.
Obwohl der Gambier gültige Ausweispapiere hat, wird er festgenommen, gefesselt und auf die Wache Sedanstraße gebracht. „Ich bin kein Dealer“, beteuert Fofana mehrfach. Es hilft ihm nichts. Auch als die Beamten nach einer Leibesvisitation keine Drogen bei ihm finden – Fofana ist strenger Moslem und trinkt nicht einmal Alkohol – schließt sich hinter ihm die Zellentür für fünf Stunden.
Selbst die Intervention von Fofanas Ehefrau Susanna hilft nichts. Einsatzleiter Dieter Dommel teilt ihr am Telefon nur lapidar mit, daß ihr Mann zur „Gefahrenabwehr“ in Gewahrsam genommen worden sei, weil er Kontakt zu Dealern und Drogenabhängigen gesucht habe. Susanna Fofana: „Dommel hatte die Maßnahme angeordnet. Als ich mit ihm telefonierte, war für ihn wohl schon klar: ,Den laß' ich mal für ein paar Stunden schmoren'.“ Erst gegen 23 Uhr wird Tijan Fofana wieder auf freien Fuß gesetzt.
Ähnlich erging es an diesem Abend noch neun anderen Schwarzafrikanern, die vom Dommel-Trupp im Schanzenpark aufgegriffen wurden und den für sie unmotivierten „Platzverweisen“ keine Folge leisteten. Auch bei ihnen wurde kein Marihunana gefunden, auch sie wurden festgehalten und, so erzählen sie, auf dem Revier mit „Neger“-Sprüchen traktiert. Für den „kritischen Polizisten“ Manfred Mahr ist das Verhalten des Einsatzzugs „rechtlich nicht haltbar“ und ein klarer Fall von „Freiheitsberaubung“. Mahr: „Das Verhalten ist eindeutig rassistisch.“ Hier sei nicht nach Dealern gefahndet, sondern nach dem Motto verfahren worden: „Razzia, einfegen, festhalten – nur weil es Schwarze sind“.
Polizeisprecher Werner Jantosch weist den Vorwurf des „Rassismus“ zurück. „Wir haben im Schanzenpark eine offene Drogenszene. Und wenn die Dealerszene ausschließlich aus Schwarzafrikanern besteht, kann ich nicht ein paar Weiße festnehmen, nur um den Proporz zu wahren.“ Zum Fall Fofana wollte Jantosch wegen des schwebenden Strafverfahrens gegen Dommel nichts sagen. Jantosch: „Die anderen Personen haben alle schon mal was mit Drogen zu tun gehabt und mußten wegen ihrer Verhaltensweise der offenen Drogenszenze zugerechnet werden.“ Und auch die Ingewahrsamnahme ist nach Jantoschs Auffassung rechtlich abgedeckt. „Sie dient der Verunsicherung der Szene – vier bis sechs Stunden sind erlaubt.“
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