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■ Zu Marek Edelmans „Versöhnungs“-AufsatzUntiefen der Normalisierung

Marek Edelmans in der gestrigen Ausgabe der taz abgedruckter Aufsatz zum polnisch-deutschen Verhältnis, geschrieben aus Anlaß der 50jährigen Wiederkehr des Warschauer Aufstandes, spiegelt die pragmatische Grundorientierung, die heute in Polen Deutschland gegenüber vorherrscht. Angesichts eines immer dichteren Netzes ökonomischer und menschlicher Beziehungen sei es, so Edelman, ein Anachronismus, über die polnisch-deutsche Versöhnung zu sprechen – die habe in der Praxis längst stattgefunden. Schließlich ist Deutschland die Lokomotive, die Polen Richtung Westen zieht. Die Bundesrepublik habe mit dem dritten Reich nichts gemein. Deshalb solle Präsident Herzog, Gast Walesas beim Staatsakt in Warschau, sich auch nicht für das verantwortlich fühlen, was die Nazi-Faschisten verbrachen.

Marek Edelman ist für seine unverblümte, bisweilen brachiale Ausdrucksweise berühmt. Die Frage ist nur, ob er hier nicht etwas zu gründlich aufgeräumt hat. So sehr seiner Kritik an jenen beizustimmen ist, die die historische Verantwortung der Deutschen angesichts der Verbrechen des Dritten Reiches für nationalistische Zwecke funktionalisieren (die polnischen Realsozialisten waren Meister dieses Verfahrens), so sehr irrt er sich, indem er diese Verantwortung an sich in Abrede stellt. Wenn polnische Touristen oder Geschäftsleute in Deutschland beleidigt, überfallen und zusammengeschlagen werden, so handelt es sich eben nicht nur um bedauerliche, pathologische Nebenerscheinungen eines im ganzen erfreulichen Normalisierungsprozesses. Und die Beunruhigung in Polen über den neonazistischen Hintergrund vieler dieser Übergriffe erklärt sich eben daraus, daß die Öffentlichkeit dort nicht den Eindruck hat, die deutsche Seite würde ihrer besonderen historischen Verantwortlichkeit für die Bekämpfung des Rechtsradikalismus ausreichend nachkommen.

Aber auch jenseits dieses Problems hat die von Edelman befürwortete Politik, auf die verständigungsfördernde Wirkung von Handel und Wandel, von wechselseitigen Einkäufen und Eheschließungen zu setzen, ihre Untiefen. Noch immer gilt, daß ungleiche Beziehungen als Motor für die Produktion von Vorurteilen wirken – auf beiden Seiten. Obwohl die deutschen Investitionen in Polen gegenwärtig eher geringfügig sind, erscheint der künftige Eintritt des Landes in die EU vielen Polen als freiwillige Unterwerfung unter die deutsche – ökonomische – Hegemonie. Paradoxerweise wird die DM ebenso begehrt wie gefürchtet. Es ist wahr: der Weg Polens nach Europa führt über Deutschland. Aber mit dieser etwas abgegriffenen Parole allein werden die Unia Wolnosćí und ihr Aktivist Marek Edelman die Ängste vieler Polen nicht besänftigen können. Christian Semler

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