In Hessen darf wieder gerast werden

■ Zweiter Ozonalarm abgeblasen – wegen zu großen Erfolgs?

Frankfurt (taz) – Wirkungen pflegen ihren Ursachen nachzufolgen. Diesem logischen Zwang kausalen Denkens kann sich auch Michael Korwisi, Sprecher des hessischen Umweltministeriums, kaum entziehen: „Da trotz gleichbleibender Wetterlage die Ozonwerte während des Ozonalarms zurückgingen, scheint ein Zusammenhang zwischen Tempolimit und Ozonbelastung zu bestehen“, sagte er gestern vor der Presse. Wegen mutmaßlichen Erfolgs ist deshalb der zweite hessische Ozonalarm am Sonntag abend nach 27 Stunden wieder aufgehoben worden.

Verkehrsbeschränkungen alleine könnten die Ozonbelastung nicht völlig beseitigen, meint auch Korwisi. Ziel des Ozonalarms sei nur, die Spitzenwerte zu kappen und die Grundbelastung zu senken. Bereits während der ersten 24 Stunden am vergangenen Mittwoch halbierten sich die Spitzenwerte von 300 Mikrogramm, und auch die Meßwerte der anderen Stationen sanken um 10 bis 40 Prozent. Der Ozongehalt pendelte sich bei einem Durchschnittshöchstwert von 150 Mikrogramm ein und blieb trotz Sonne, Hitze und Windstille konstant.

Ausnahme waren die Meßstellen an den Grenzen zu Bundesländern ohne Tempolimit. Schon am ersten Tag des Ozonalarms wurden die höchsten Werte an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz registriert: in Mainz-Kastel, Wiesbaden-Mitte und Wiesbaden-Süd.

Die Auswertung der Meßergebnisse kostet Zeit. Schon jetzt weiß Korwisi aber: „Während des zweiten Ozonalarms wurden die Vorläufersubstanzen des Ozons, Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, um rund 30 Prozent reduziert.“ Der Effekt ist paradox: Stickstoffdioxid verliert unter Sonneneinstrahlung und in Zusammenwirkung mit Kohlenwasserstoff eines seiner beiden Sauerstoffatome, das sich nun mit anderen Sauerstoffatomen in der Luft zum Ozon-Dreier verbindet. Als Nebenprodukt entsteht Stickstoffmonoxid. Nach Sonnenuntergang jedoch kehrt sich die chemische Reaktion um. Das Stickstoffmonoxid reißt eines der drei Sauerstoffatome des Ozons zurück, so daß wieder Sauerstoff entsteht. Weil aber auch Stickstoffmonoxid in Auspuffgasen enthalten ist, geht der Ozongehalt in den Städten nachts schneller zurück als auf dem Land.

In Frankfurt zum Beispiel lag der Ozongehalt der Luft in der vergangenen Woche allmorgendlich fast bei Null, während im Wald bei Königstein zur selben Zeit Werte von etwa 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen wurden. Daß sich deswegen nächtliche Autorennen im tiefen Wald empfehlen, mag trotzdem bezweifelt werden. Sachsen-Anhalts neue rot-grüne Regierung jedenfalls will das Tempolimit auf der Berlin-Autobahn noch die ganze Woche aufrechterhalten. Jessika Tomberger

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