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Ohne Paß keine Post - ohne Post: Abschiebehaft?

■ Beamtenwillkür: die Odyssee eines jungen Albaners ohne gültige Papiere

Schnaps ist Schnaps, und Vorschrift bleibt Vorschrift. Und deshalb will ein Hamburger Postbeamter auch eher verantworten, daß ein junger Albaner in Abschiebehaft kommt, als ihm – nicht ganz vorschriftsmäßig – ein wichtiges Schriftstück auszuhändigen.

Der Albaner gehört zu den Asylbewerbern, denen derzeit in der Ausländerbehörde die Ausweispapiere abgenommen werden. Wie die taz berichtete, fühlt sich die Behörde seit kurzem nicht mehr für Aufenthaltsbescheinigungen von Asylfolge-Antragstellern zuständig – die soll nun das Bundesamt für Asylangelegenheiten erstellen. In der Praxis werden die Flüchtlinge aber ganz ohne Papiere auf die Straße geschickt – Tür und Tor weit offen für jedwede Schikane.

Postamt Susannenstraße (Schanzenviertel): Der junge Mann will dort ein Schriftstück abholen, dessen Nummer auf ein Gerichtsschreiben hindeutet. Er bekommt es aber nicht – anstelle eines Passes kann er nur einen Schülerausweis vorlegen. Der reicht dem Beamten an Schalter drei nicht aus, er schickt ihn weg. Der Flüchtling bittet seine ehemalige Klassenlehrerin um Hilfe. Doch weder eine veraltete Kopie einer Aufenthaltsbescheinigung des Bundesamts noch der Fußballpaß mit Foto, noch die Beteuerungen der Lehrerin können den Schalterbeamten erweichen.

Schalter sechs, hier sitzt ein Vorgesetzter: Zwanzig Minuten Schlange stehen, den ganzen Vortrag wiederholen, wieder eine Ablehnung einstecken. Selbst der Hinweis der Lehrerin, daß es schwerwiegende Folgen für das Asylverfahren des Mannes haben kann, wenn ihm das Papier nicht ausgehändigt wird, bewegt den Beamten nicht. Abschiebehaft? Interessiert ihn nicht, er bleibt stur.

Mit der Telefonnummer des nächst höheren Vorgesetzten bestückt, versucht die Pädagogin einen letzten Anlauf: Der zumindest verspricht, die Sache zu prüfen. Und findet eine einfache Lösung: Der junge Albaner kann nämlich einen Antrag stellen, mit dem er um schriftliche Zusendung des Schreibens gegen Zahlung von Porto nachsucht. Eine Alternative, die das Ausweisproblem umgeht, und die eigentlich auch Schalterbeamten geläufig sein dürfte.

Ein anschauliches Lehrstück über Beamtenwillkür – „Ein Mensch ohne Papiere ist nichts“, beklagt die Hamburger Lehrerin Cordelia Schneider nun in einem Brief an den Ausländerbeauftragten Günter Apel. Der möge sich doch bitte darum bemühen, daß diese unwürdige Behandlung von Asylfolge-Antragstellern zügig beendet wird. Sannah Koch

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