Neue Chance für Moorburg

■ Der runde Tisch soll's nun richten / Alte Schule ist vorerst gerettet

Michael Ulrich hatte sich verschätzt. „Ich ging davon aus, daß der Abriß des Schulgebäudes in Moorburg unstrittig ist“, resümiert der Harburger Bezirksamtsleiter rückblickend. Doch er hatte nicht mit den Einwohnern des 1200-Seelen-Dorfes gerechnet: Als diese vergangene Woche durch einen Zufall davon Wind bekamen, daß das seit 1962 leerstehende Grundschulgebäude in den nächsten Tagen dem Erdboden gleichgemacht werden sollte, schlugen sie Alarm. Gestern dann die Entwarnung. „Ich habe den Abriß stoppen lassen, um eine Eskalation zu verhindern“, sagt Michael Ulrich.

Am Montag abend einigten sich die MoorburgerInnen, das Bezirksamt und die Harburger Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und GAL auf einen Kompromiß. Danach soll das Gebäude vorerst nicht angetastet, Konzepte etwa für eine sozio-kulturelle Nutzung des Baus durchgerechnet werden. Denn öffentliche Räume sind in Moorburg rar. Nur wenn sich eine Sanierung der Schule - das Bezirksamt geht von Kosten in Höhe von 2 Millionen Mark aus - als nicht finanzierbar erweist, sollen die Abrißbirnen kommen. Dann sogar unter Zustimmung des sogenannten „Runden Tisches Moorburg“.

Diese achtköpfige Runde wurde vor zwei Monaten auf einer BürgerInnenversammlung ins Leben gerufen. In ihr sind die Mitglieder aller wichtigen Moorburger Einrichtungen vertreten - vom Kinderladen bis zum Schützenverein. War die Moorburger BürgerInnenbewegung für den Erhalt des von der Hafenerweiterung bedrohten Ortes bislang in zwei Fraktionen gespalten, so sollen sich die Round-table-TeilnehmerInnen nun gemeinsam dafür einsetzen, „die Lebensqualität in Moorburg zu verbessern und dem Dorf eine langfristige Perspektive zu geben“.

Denn die fehlt Moorburg. Zwar wurde die Bestandsgarantie für das Dorf im Rahmen der Kooperationsverhandlungen zwischen Statt Partei und SPD von 2005 auf 2015 verlängert, doch da das Gebiet nach wie vor als Hafenerweiterungsreserve vorgesehen ist, herrscht hier Ausnahmezustand. Statt der bezirklichen Gremien regiert hier allein das für die Hafenexpansion zuständige Amt für Strom und Hafenbau, eine Unterabteilung der mächtigen Wirtschaftsbehörde.

Das Amt verfügte, daß - sollte der Hafen den Stadtteil Moorburg irgendwann schlucken - keine Entschädigungen für Neubauten und Anbauten, aber auch Modernisierungen von der Stadt gezahlt werden. Die Folge: Niemand mag investieren, Moorburg kann sich nicht entwickeln und verfällt zusehens.

Michael Ulrich will sich mit dieser „Mehrwertverzichtsklausel“ nicht abfinden: „Neubauten und Modernisierungen müssen möglich sein, damit Moorburg zumindest einer Generation eine Zukunft bietet“. Die Harburger Bezirksversammlung hat Ulrichs Amt erst vor kurzem aufgefordert, ein Handlungskonzept zu entwickeln, welches das Elbdorf aus seinem zwangsverfügten Dornröschenschlaf erwecken soll. Wie immer die Konturen eines solchen Entwurfes im Detail aussehen werden: der Konflikt mit den Strom- und Hafenbauern ist vorprogrammiert.

Wie auch im Fall des „Pachthof Westphalen“, des ältesten Moorburger Bauernhauses. Die leerstehende und vom Verfall bedrohte Kate soll nun für teures Geld nach Francop umgesetzt werden. Der Grund: ein Privatinvestor will in ihr fünf Eigentumswohnungen unterbringen. Die MoorburgerInnen würden das geschichtsträchtige Bauernhaus gern behalten, der Financier könnte ohne das Häuschen-wechsle-Dich-Spiel Hunderttausende sparen. Doch das Amt für Strom- und Hafenbau untersagte die Errichtung der fünf Wohneinheiten im Moorburger Hafenerweiterungs-Gebiet.

Marco Carini