Nach Ruanda steht nun Burundi vor der Explosion

■ Tutsi-Armee bricht Gespräche mit Hutu-Regierung ab / Aufrüstung zum Krieg / Hutu-Milizen erhalten Zulauf aus Ruanda, die Militärs begrüßen Sieg der RPF

Berlin (taz) – Das ostafrikanische Burundi ist nicht nur Ruandas südlicher Nachbar, sondern auch sein Zwillingsbruder. In beiden Ländern bildete sich während der Kolonialzeit eine als ethnisch begriffene gesellschaftliche Zweiteilung zwischen der einst privilegierten Tutsi-Minderheit und der Hutu-Mehrheit heraus. Als beide Länder 1962 unabhängig wurden, gingen sie spiegelverkehrte Wege: Ruanda kam unter eine Hutu- Herrschaft, die viele Tutsi außer Landes trieb – Grund für den Bürgerkrieg der letzten Jahre, der dieses Jahr im Versuch der kompletten Auslöschung der Tutsi und der nachfolgenden Machtergreifung durch die von Tutsi dominierte „Ruandische Patriotische Front“ (RPF) gipfelte. Burundi blieb eine Tutsi-Militärdiktatur bis zum Juni letzten Jahres, als bei ersten freien Wahlen der Hutu-Politiker Melchior Ndadaye siegte.

Ndadaye wurde im Oktober 1993 von den Militärs gestürzt, die es aber nicht schafften, eine neue Diktatur alten Stils zu errichten. Ein fragiles Gleichgewicht entstand zwischen Ndadayes Frodebu-Partei und den Militärs, wonach erstere mit Staatschef Cyprien Ntaryamira formal regieren durften, sich aber die Macht mit den Tutsi teilen müßten. Dieses Gleichgewicht wurde nie endgültig kodifiziert, und nun ist es geplatzt. Es flog zuerst auseinander, als Ntaryamira am 6. April in Ruanda ums Leben kam; sein „Interimsnachfolger“, Parlamentspräsident Sylvestre Ntibantunganya, hat keine Einigung über die politische Struktur herbeiführen können. Bei den Gesprächen darüber, die in einem Hotel in Bujumbura unter Kirchenvermittlung stattfinden, stellten die Tutsi-Militärs Forderungen wie die Übernahme sämtlicher Kabinettsposten, was die Frodebu nicht akzeptieren kann – sie weiß, daß sonst Burundis radikale Hutu, die sich in Milizen nach dem berüchtigten ruandischen Vorbild organisiert haben, zu den Waffen greifen. Am Montag brachen die Militärs die Verhandlungen völlig ab, nachdem sie alle Frodebu-Kandidaten zum Amt des Staatschefs als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet hatten.

Damit steuert Burundi in ein institutionelles Vakuum, das zum Krieg führen könnte. Überraschend ist dabei eher, daß der relative Frieden so lange hielt. „Das Mißtrauen zwischen den Bürgern hat seinen Höhepunkt erreicht“, hatte Ntibantunganya schon Ende Juni gesagt. In der vergangenen Woche meldete das burundische Innenministerium 2.000 Tote bei Zusammenstößen zwischen Hutu- Milizionären und Tutsi-Soldaten im Nordwesten Burundis, wo Hunderttausende Flüchtlinge aus Ruanda leben. Die Lage wird verkompliziert dadurch, daß viele ruandische Milizionäre nach Burundi geflohen sind; wie in Ruanda rufen jetzt auch in Burundi private Radiosender die Hutu auf, sich der Tutsi zu „entledigen“.

Explosiv wird die Lage durch wachsendes Selbstvertrauen: Die Hutu-Milizen erhalten Zulauf aus Ruanda, während die Tutsi-Armee sich über den Sieg der RPF in Ruanda freuen darf. Wenn nicht doch noch eine politische Lösung gefunden wird, ist zu befürchten, daß Extremisten beider Lager zum Versuch einer „Endlösung“ des ethnischen Konflikts in Burundi schreiten, wie es ja in Ruanda bereits probiert worden ist. Dominic Johnson