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Karl Marx kommt wieder

Bayerns CSU vor der Landtagswahl: Mit Marx auf dem Wahlplakat polemisiert die Partei gegen Rot-Grün in Sachsen-Anhalt und will damit die „bürgerliche Mitte mobilisieren“  ■ Aus München Bernd Siegler

Auf rot-grünem Hintergrund prangt das Portrait von Karl Marx, darunter heißt es: „Ich komme wieder! Über Sachsen-Anhalt. Dank SPD & PDS.“ CSU-Generalsekretär Erwin Huber ist „richtig stolz“ auf das Plakat. Sein Ziel ist es, die „neue Kampffront in Deutschland aus SPD, Grüne und PDS“ offensiv anzugehen.

Ansonsten hatten die Ideengeber gestern in der CSU-Parteizentrale und ihrer Werbeagentur Sendepause. „In Bayern sind die Ferien am schönsten. Warum wohl? CSU.“ So einfach ist Wahlkampf nach christlich-sozialer Art. Für die Landtagswahlen am 25. September hat sich die seit 32 Jahren allein regierende CSU nicht viel Neues einfallen lassen. „Damit Bayern vorn bleibt“, lautet der Hauptslogan, der den erneuten Erfolg sichern soll. Dazu kommt noch ein bißchen Würze. Parolen wie „Freiheit statt Volksfront“ und „Nein zu Rot-Grün – Keine Freigabe von Heroin“ sollen den Bürger schrecken und in die Arme der CSU treiben. Zur Abrundung des Ganzen dann der Wahlschlager mit den sinnigen Zeilen: „Du, wähl' CSU, wähl' einfach CSU mit mir.“

Generalsekretär Huber ist davon überzeugt, daß seine Partei mit dieser Marschroute und einem Aufwand von 7,5 Millionen Mark die absolute Mehrheit im Freistaat erreicht. Eine halbe Millionen Stimmen müssen noch gegenüber der Europawahl dazugewonnen werden. Kein Problem meint Huber, denn die Leistungsbilanz der bayerischen Staatsregierung sei „blitzsauber“, und die rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen- Anhalt biete die Chance, „mit einem klaren Richtungswahlkampf die bürgerliche Mitte zu mobilisieren“. Außerdem sei mit Ministerpräsident Edmund Stoiber „Schwung, Dynamik und Tatkraft“ gekommen.

Vor vier Jahren holte die CSU noch 54,9 Prozent. Danach litt sie unter ihrem Bedeutungsverlust im größer gewordenen Deutschland. Die Filz-Skandale ließen die Nerven der sieggewohnten Partei flattern. Vor dreizehn Monaten übernahm dann Stoiber das Amt des Ministerpräsidenten. Dreizehn Monate tingelte er durch alle Regierungsbezirke. Der steife Technokrat wollte sich seinen Wählern nicht nur als Saubermann, sondern auch als Landesvater zum Anfassen präsentieren. Das honorierte der weißblaue Wähler. Statt des erwarteten Einbruchs verfehlte die CSU die absolute Mehrheit bei den Europawahlen nur knapp. „Das haben wir doch gar nicht verdient“, gestand damals selbst der Bayernkurier-Chefredakteur Wilfried Scharnagl ein.

Solche Zeiten der Verunsicherung sind jetzt vorbei. Kurz vor der Sommerpause öffnete Stoiber sein Füllhorn. Er versprach der Wählerschaft, die Erlöse aus der Privatisierung der bayerischen Staatsfirmen, insgesamt etwa 6 Milliarden Mark, in die „Zukunft des Freistaats“ zu stecken – natürlich nur im Falle eines Wahlsieges. Der Ministerpräsident hat die Spendierhosen an, die Beschenkten in spe sind zufrieden und zeigen sich erkenntlich.

Kaum registrierte man in der Fuggerstadt Augsburg, daß man in den Genuß einer 95-Millionen- Mark-Spritze für die örtliche Universität und die Errichtung eines Gründerzentrums kommen werde, beschloß der Stadtrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, den langjährigen Kampf für eine ICE-Trasse München-Augsburg- Nürnberg aufzugeben. Statt dessen akzeptieren die Stadträte nun die von Stoiber favorisierte Trasse über Ingolstadt. Welch ein Zufall.

Inzwischen glaubt die Parteispitze die Siegeseuphorie an der Basis bremsen zu müssen. „Das Vertrauen der Bürger ist ein zerbrechliches Gut“, erkannte Stoiber. Und Alois Glück, CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, mahnte bei seinen Parteifreunden die „richtige Mischung aus Selbstbewußtsein und Selbstkritik“ an. Glück gab zu, daß der Erfolg der CSU bei den Europawahlen auch aus Fehlern der SPD-Opposition resultierte.

Die SPD-Hoffnungsträgerin Renate Schmidt führte ihre Partei im Juni zu blamablen 23,7 Prozent. Trotzdem verkündet die Spitzenfrau landauf, landab Optimismus. „Ich werde Ministerpräsidentin.“ Wie, das steht mehr in den Sternen als je zuvor. Denn die weißblaue FDP zerstörte jäh den Traum der SPD von einer Regenbogen-Koalition im Freistaat. FDP-Fraktionschef Jürgen Doeblin wies eine solche Koalitionsaussage als „Einladung zum politischen Selbstmord“ schroff zurück. So hofft die SPD, im Sog der bislang recht erfolgreichen Volksbegehren „Bessere Schulen“ und „Mehr Demokratie“ zu schwimmen. Auch mit der Vorstellung eines kompletten Schattenkabinetts glaubt Renate Schmidt ihrem Ziel von einer Machtübernahme im Freistaat näher gekommen zu sein. Vehement fordert sie jetzt ein Fernseh-Duell mit Stoiber. Doch der Ministerpräsident blockt ab. Er stehe „für solche Showeinlagen nicht zur Verfügung“.

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