„Unternehmerverband Friedrich Engels“

Die PDS macht den Volksparteien Konkurrenz und will eine Mittelstandsvereinigung gründen / Historischer Händedruck zwischen Kapital und Arbeit soll im September stattfinden  ■ Von Christoph Seils

Berlin (taz) – Während das Konrad-Adenauer-Haus noch grübelt, warum ihre Rote-Socken- Plakate in den neuen Bundesländern auf der falschen Seite auf Gegenliebe stoßen, holen die roten Socken bereits zum nächsten Schlag gegen das westdeutsche Kalte-Krieger-Weltbild aus. Auch für ostdeutsche Handwerker, Einzelhändler und Kleinunternehmer soll die PDS zur politischen Interessenvertretung werden. Zunächst in Brandenburg wollen Ende September PDS-Genossen eine parteinahe Mittelstandsvereinigung gründen und so den Bonner Volksparteien Konkurrenz machen.

Mehr als 100 Unternehmer, Selbständige und Freiberufler aus der PDS-Mitgliedschaft unterstützen bereits die Einladung zu einer Gründungsversammlung. Ziel sei, so heißt es in dem Entwurf für einen Gründungsaufruf, „die Chancengleichheit ostdeutscher Unternehmer zu befördern, aktiv auf die Politik einzuwirken und durch eine breite Zusammenarbeit die wirtschaftliche Grundlage der im Verband zusammengeschlossenen Unternehmungen zu stärken.“ Eine „parteipolitische Bindung“ ist nicht vorgesehen, wohl aber soll die „Zusammenarbeit mit Parteien und Organisationen gesucht werden, die eine perspektivische und ausgewogene Vereinheitlichung der Lebensbedingungen in Ost und West anstreben.“ Im Klartext: mit der PDS.

Die Unzufriedenheit ist unter den ostdeutschen Selbständigen groß, und die PDS hat auch hier ein offenes Ohr. Im Wettbewerb mit der westdeutschen Konkurrenz ziehe man regelmäßig den kürzeren, heißt es. Unübersichtliche Förderrichtlinien, Steuerbelastungen und die meist dünne Kapitaldecke zwingen viele Selbständige in die Knie.

Zwischen 5.000 und 10.000 Mitglieder der PDS haben sich in den letzten fünf Jahren selbständig gemacht. Zum größten Teil sind dies erzwungene Selbständigkeiten, denn viele ehemalige Staatsbedienstete, Stasi-Mitarbeiter und Betriebsleiter waren nach der Vereinigung ohne jede Anstellungsperspektive. Ob die PDS-Unternehmer sich genauso energisch für tarifliche Bezahlung und innerbetriebliche Demokratie einsetzen wie für bessere Investitionsförderung und niedrigere Steuern, bleibt zu bezweifeln.

Für den stellvertretenden Parteivorsitzenden Wolfgang Gehrke, der zu den Initiatoren des Projektes gehört, steht die Gründung jedoch nicht im Widerspruch zur antikapitalistischen Programmatik der PDS. Schließlich sei im Programm der PDS „die Vielfalt der Eigentumsformen“ – „und dazu gehören auch private“ – festgeschrieben. „Als 20-Prozent-Partei dürfen wir den Freiberuflern und Selbständigen, die sich an unsere Partei wenden, nicht aus dem Weg gehen“, meint Gehrke. Daher soll sich die Mittelstandspolitik „organisch in die Wirtschaftspolitik der PDS einpassen“. Konflikte sind da programmiert. Auf die Debatten zwischen den Sprechern der Kommunistischen Plattform, dem Vorsitzenden der PDS-Mittelstandsvereinigung und ostdeutschen Betriebsräten darf man sich schon freuen. „Aber diese Konflikte müssen wir in der Partei austragen, wenn wir politikfähig sein wollen“, so Gehrke.

Auch als klassische Lobbyisten wollen sich die PDS-Mittelständler nicht verstehen, sondern, so heißt es in ihrem Erklärungsentwurf, „als Institution, die ihren Beitrag zur Interessengestaltung vor allem in den neuen Bundesländern“ leistet. Die soziale Verantwortung soll daher ebenso zu den Grundsätzen gehören wie die ökologische. Ein genauer Gründungstermin steht noch nicht fest. Er soll vor den Bundestagswahlen, aber nach den Wahlen in Brandenburg liegen. Ort des historischen Händedrucks zwischen Kapital und Arbeit soll Strausberg sein. Nur einen zugkräftigen Namen suchen die Genossen noch. Der Vorschlag „Unternehmerverband Friedrich Engels“ – als Hommage an den ersten Kapitalisten in der kommunistischen Bewegung – wurde bereits abgelehnt.