Die CDU will in den Untergrund

■ „Regierungsprogramm“ für die Innenstadt: Autotunnel unter der Martini- und Faulenstraße

Die CDU will in den Bremer Untergrund. Gestern hat der christdemokratische Schattenbürgermeister Ulrich Nölle sein Regierungsprogramm für die Innenstadt vorgestellt, und kühne Pläne entwickelt. Zum Beispiel: Wenn es nach Nölle und seiner CDU geht, dann sollen in gar nicht so ferner Zukunft der Verkehr aus der Martini- und der Faulenstraße in eine Tunnelröhre verlegt werden. Oben wäre dann genügend Platz für die Straßenbahn aus der Obernstraße und ein breites Boulevard. Die Stadt wäre zur Weser hin geöffnet, eine neue Geschäftslage geschaffen. Kosten sollen die Bauarbeiten runde 150 Millionen Mark. Die will die CDU aus dem Verkauf des Bremer Tafelsilbers finanzieren. Dabei sollen unter anderem weit größere Anteile der Stadtwerke verkauft werden, als vom Senat geplant. Aber es ist dringend, sagt Nölle: „Für die Innenstadt ist es eine Minute vor zwölf.“ Schnell sollte es gehen: Nach den Vorstellungen der CDU sollen schon Ende 1996 die Bagger rollen.

Die Klage über den Niedergang der City kann jeder politische Beobachter rückwärts beten. Über Monate haben sich vor allem die beiden Senatsressorts Stadtentwicklung und Wirtschaft aufs Heftigste um das richtige Innenstadtkonzept gestritten. Kurz vor Beginn der Sommerpause hatte sich der Senat dann endlich auf eine gemeinsame Linie auch bei den meisten strittigen Punkten verständigt. Streit gibt es allein noch um die Frage, ob denn die Martinistraße zwei- oder vierspurig werden soll. Jetzt, Wochen nach dem Senatsbeschluß tritt die CDU auf den Stadtplan.

Die Opposition hatte ihrerseits seit Oktober letzten Jahres über den Cityproblemen gebrütet. Dabei hatte sie fachkundige Unterstützung: Der Bauindustrieverband Bremen-Nordniedersachsen hatte das know how für die Debatte geliefert. Der Verband hatte Baufirmen, Hochschullehrer und Ingenieurbüros angezapft um die Frage zu klären, wie teuer ein Citytunnel werden könnte. Die Bauindustrie hat gerne geholfen, auf eigene Kosten, wie der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Günter Niederbremer betont. Die CDU hat keinen Pfennig dazubezahlt. Das Ergebnis: Der Nölle-Tunnel ist billiger, als man denkt. Die CDU will im Schildvortrieb bauen lassen, das heißt, eine Maschine frißt sich in großer Tiefe durch den Untergrund, eine offene Grube wird es nicht geben, Kanäle und Leitungen bleiben weitgehend unangetastet. 1,4 Kilometer Röhre sollen auf diese Weise 150 Millionen Mark kosten. Der Hemelinger Tunnel soll 800 Mater lang werden, dafür aber dreimal so teuer. „Das liegt daran, daß wir nur eine ganz schmale Röhre für zwei Spuren bauen wollen“, erklärt Niederbremer. „Die Zahlen sind erstmal nur eine Behauptung“, kontert Karin Röpke vom Bauressort kühl. „Als die erten Planungen für den Hemelinger Tunnel anfingen, war der auch noch viel billiger.“

Sowohl das Bau- als auch das Stadtentwicklungsressort sprechen sich gegen die CDU-Pläne aus. Edo Lübbing, Sprecher des Stadtentwicklungssenators: „Alle Tunnellösungen sind lange geprüft, am Ende aber verworfen worden. Außerdem denken wir angesichts der Ozonwerte gerade darüber nach, den Verkehr aus der Innenstadt herauszuhalten und nicht auch noch zu intensivieren.“ Und die Sprecherin der Bausenatorin: „Nach unseren Berechnungen würden von den 21.000 KFZ, die zur Zeit durch die Martinistraße fahren, nur 5-6.000 durch den Tunnel fahren. Dafür 150 Millionen auszugeben, das ist eine extrem schlechte Kosten-Nutzen-Relation. Da ist unsere Lösung mit der Reduzierung der Spuren viel billiger.“

Der Tunnel wäre nicht die einzige Großbaustelle, die ein CDU-Senat einrichten würde. Unter dem Rudolf-Hilferding-Platz vor dem Haus des Finanzsenators soll eine riesige Tiefgarage gebuddelt werden. Dafür sollen die beiden Innenstadtparkhäuser Katharina und Mitte dichtgemacht und als Ladenfläche genutzt werden. Denn daran mangelt es, klagt die CDU. Wieviel die Parkkatakombe kosten soll, das hat die CDU allerdings nicht genau ermitteln können.

Wenn alles fertig ist, so die Vorstellung Nölles, dann stünden endlich die Einkaufslagen zur Verfügung, die die Stadt so dringend braucht, um ihre Funktion als Oberzentrum zurückzugewinnen. Die Fußgängerzone könnte in Richtung Martini- und Faulenstraße genauso ausgeweitet werden, wie in Richtung Fedelhören und Bahnhofsstraße. Umschlossen wäre die City von einem beidseitig befahrbaren Altstadtring. Der hat nur einen Haken: Ein Teil davon wäre der Wall, und den will die CDU eigentlich auch mit einem Glasdach attraktiver machen. Einen Trost hat Ulrich Nölle aber auch für die Wall-Anlieger parat: „Über einen leiseren Straßenbelag kann man dann ja mal reden.“ J.G.