Bei Mord weggeschaut

■ Anklage wegen Strafvereitelung: Mord an Taxifahrer tatenlos zugesehen

Mangelnde Zivilcourage hat jetzt zu einer Anklage wegen Strafvereitelung geführt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt drei Männer – darunter einen Polizisten –, bei einem Mord bewußt weggesehen zu haben. Auch später hätten sie der Polizei gesagt, nichts bemerkt zu haben. Dies teilte Justizsprecher Frank Thiel gestern mit. Das Opfer der Straftat, die bislang noch nicht aufgeklärt sei, war ein Berliner Taxifahrer.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien die Angeklagten im Alter von 21 bis 26 Jahren zur Zeit des Raubmordes an dem Taxifahrer mit einem Umzug beschäftigt gewesen. Sie hätten zeitliche Verzögerungen bei einem Eingreifen befürchtet. Sie hätten sich auch nicht als Zeugen gemeldet und dann auf Befragen der Polizei wahrheitswidrig geantwortet. Der Prozeß soll am 30. August vor dem Jugendschöffengericht Tiergarten beginnen. Auf Strafvereitelung steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Tatsächlich haben die Angeklagten nach den Feststellungen der Ermittler am 20. November 1993 vor einem Haus im Bezirk Friedrichshain zwei Personen beobachtet, die aus einem quer auf dem Gehweg abgestellten Taxi des ermordeten Fahrers stiegen. Wegen der eingeschalteten Alarm- und Warnblinkanlage soll den Beschuldigten sofort bewußt gewesen sein, daß eine Straftat begangen worden war.

In den vergangenen Monaten ist vor allen Dingen vor dem Hintergrund ausländerfeindlicher Straftaten immer wieder darüber diskutiert worden, warum so viele Menschen bei Straftaten wegsehen. Soziologen machen dafür eine „Kosten-Nutzen-Rechung“ verantwortlich. Die Bürger überlegten, was für Nachteile ein Einschreiten oder auch das bloße Melden bei der Polizei für sie mit sich bringe. Bei dem Vorwurf der Strafvereitelung geht es nicht darum, daß sich Bürger nicht dem Straftäter „in den Weg stellen“. Typische Tathandlungen sind vielmehr Beseitigung von Tatspuren oder etwa Fluchthilfe. dpa