■ Das Portrait
: Dschochar Dudajew

Tschetscheniens Herrscher hat Probleme Foto: Reuter

Den Leichten und Zierlichen sieht man das Alter weniger an. Wer schon würde Dschochar Dudajew 50 Jahre geben? Der Vater zweier Söhne und einer Tochter kam 1944 in Kasachstan zur Welt, wohin sein ganzes kleines Volk von Stalin deportiert worden war. Auch wirkt sein Äußeres nicht generalsmäßig. Pomadiges dunkles Haar, Schnurrbärtchen, Glutaugen unter steifen Bowlerhüten, so malte Otto Dix in den zwanziger Jahren Friseure, es hätten auch Anstreicher sein können. Dudajews Frau Alewtina ist übrigens Kunstmalerin — auch kein typischer Beruf für eine exsowjetische Offiziersgattin. Er selbst gibt sich bei Fernsehinterviews leise, flexibel. Und doch führte ihn seine militärische Karriere bis zum Luftwaffen-General durch die ganze UdSSR. Irgendwann hat Moskau aufgehört, seine Generalspension zu zahlen. Dudajew hat sie nie eingeklagt.

Im Vergleich zu den Freizeitgestaltungen der meisten Staatsoberhäupter muten seine proletarisch an. Hin und wieder übt er sich noch im Ringen, spielt ein paar Runden Tischtennis oder schlägt seiner Alewtina einen Nagel ein. Seine langen Arbeitstage, so erzählt Dudajew, gingen in Träume über, in denen sich ihm die bevorstehenden Aufgaben zeigen: „Und wenn ich aufwache, dann weiß ich, was ich an diesem Tag zu tun habe.“

Ob bei den Präsidentenwahlen in Tschetschenien 1991 nun geschummelt worden ist oder nicht: zu Dudajew gab es damals keine Alternative. Der erste Tschetschene, der es bis zum Großmachtgeneral gebracht hatte, versprach Freiheit und marktwirtschaftliche Reformen. Er spielte dabei die nationale Karte voll aus und warf mit der Autonomieerklärung den Fehdehandschuh in Richtung Moskau. Und trotz der angeblichen Belagerung brachte er es fertig, die Produkte der heimatlichen Erdölindustrie auf westlichen Märkten zu verkaufen. Von dem Erlös hatte die Bevölkerung freilich wenig. Aus den Geschäften verschwand der Zucker, und die tschetschenischen Politiker fühlten sich benachteiligt. Daß er das Parlament nach Hause schickte, ja sich gar zum Iman ausrief, hat Dudajews Beliebtheit nicht retten können, die Opposition steht kurz vor der Machtübernahme. Die Schmerzhaftigkeit des Aufpralles beim freien Fall resultiert bei Dudajew aus der Höhe, aus der der Sturz erfolgte. Nun träumt der Fliegergeneral wohl von einem anspruchsloseren Plätzchen. Barbara Kerneck