Der Abschied von der Verliererkette

■ Der FC St. Pauli unterliegt dem FC Everton bei der Saisonpremiere am Millerntor mit 1:2

Seit kurzem spielen die Profis des FC St. Pauli mit neuen Schuhen eines deutschen Sportartikelher-stellers. Dieser verspricht in seinem Werbespot Gewaltiges: Jener Wunderschlappen, der auf den martialischen Namen Prädator hört, soll es auch eher durchschnittlichen Kickern ermöglichen, technisch brillant wie ein Brasilianer zu spielen. Bislang war davon bei der Kiezmannschaft nicht viel zu spüren, die in den vorhergegangenen Testspielen wenig südamerikanisch agiert hatte: Der Prädator zeigte keine Wirkung. Doch wie das mit neuem Schuhwerk halt so ist – es will mit Bedacht eingelaufen werden.

Am Mittwoch abend war es dann endlich so weit. Die Schuhe paßten, und schon klappte es bei Hollerbach & Co. so gut wie noch nie nach der Sommerpause. Zwar unterlagen die Hamburger vor 5.600 Zuschauern dem englischen Erstligisten FC Everton mit 1:2 (0:1), doch wichtiger als das Ergebnis war die nicht zu übersehene Leistungssteigerung. Von Euphorie war Trainer Uli Maslo trotzdem weit entfernt, eilfertige Lobhudeleien sind seine Sache nicht. Der Mann mit der weißen Mütze schätzt nüchterne Analysen und gerade deshalb wirkt die Aussage „Das war ein Schritt nach vorne“ aus dem Munde des 56jährigen fast schon ein wenig überschwenglich.

Der neue Übungsleiter hatte auch allen Grund, freundlicher dreinzublicken. Die vieldiskutierte Viererabwehrkette („Verliererkette“) mit anfänglich Schlindwein, Hollerbach, Dammann und Gronau stand sicher und auch sonst offenbarten die Paulianer ungeahnten Spielwitz. „Wir haben nur eine Chance zugelassen“, zeigte sich Maslo mit dem Defensivverhalten zufrieden und führte die beiden Gegentore auf „individuelle Fehler“ zurück. Das System hat also funktioniert, nur was nützt das, wenn Dirk Dammann beim 0:1 von Stuart Barlow (29. Minute) einen Paß in die Beine des Gegners schlägt und sich Dieter Schlindwein eine halbe Stunde später von Andres Limpar überlaufen läßt? Gegen solche Schnitzer ist kein Kraut gewachsen, und auch taktische Disziplin hilft nur bedingt. Das weiß Maslo und hofft auf Besserung bis zum Pokalspiel bei Union Berlin in einer Woche, obwohl „uns vierzehn Tage Vorbereitung fehlen.“

Mangelndes Training ist auch die Crux von Juri Sawitchev, der zwar gute Ansätze zeigte, mehr aber auch nicht. „Er wird noch kommen“, machte Maslo dem Saarbrücker Stürmer Hoffnung, der noch bis zum Ablösespiel für Andreas Reinke gegen Kaiserslautern (Dienstag um 19 Uhr) auf seine Tauglichkeit getestet wird. Der ehemalige UdSSR-Nationalspieler verlor gegenüber seinen Konkurrenten Manzi und Scharping an Boden. Nach seiner Einwechselung gelang dem Nachwuchsstürmer der Anschlußtreffer und auch der Brasilianer war torgefährlicher als Sawitchev, der zur Halbzeit ausgetauscht wurde. Maslo jedoch glaubt an ihn und daran, daß dieser zu alter Stärke zurückfinden wird. Wenn nicht, fällt eine Ausrede flach: An den Schuhen kann es nicht gelegen haben. C. Gerlach