: Glückliche Kurzzeitpflege
■ Iin Haus Riensberg können alte Leute für kurze Zeit unterkommen / Ferien für die Tochter - Mutter Funk im Heim mit Kaffee und Kuchen empfangen
Was passiert, wenn Oma nicht mehr allein klarkommt? Die Tochter nimmt sich ihrer an. Und was passiert, wenn die Tochter krank wird? Das möge Gott verhüten! Tut er aber nicht.
Niemand war mehr da für die 83jährige Frau Funk, nachdem die Tochter, die sich sonst um sie kümmert, im Februar erkrankte und für mehrere Wochen in die Klinik mußte. Der Sohn hatte keine Zeit _ was tun? Glücklicherweise hatte die 83jährige Bremerin schon vor einigen Jahren mit dem Gedanken geliebäugelt, sich für den Lebensabend einen Platz in der „Bremer Heimstiftung“ zu sichern. So erinnerte sich die alte Dame, daß die Stiftung neben Appartements und Langzeit- auch Kurzzeitpflegeplätze zur Verfügung stellt.
Dieses Angebot gilt für Menschen ab 60 Jahren, die für maximal drei Monate Unterkunft suchen. Das Haus Riensberg ist ein moderner, freundlicher Bau. In der Nähe ein Park, wo Rentner ins nächste Jahrzehnt radeln, wo Pensionärswitwen bei Kaffee und Kuchen Mädchenträume erinnern. Doch auch indoor ist einiges los: Das schwarze Brett wirbt für Ausflüge, Seidenmal- und Töpferkurse. Kegeln und Gymnastik für den Körper, Gedächtnis- und Philosophiegruppe zum Erhalt geistiger Fitness. Für Kurzweil ist ebenso gesorgt wie für ärztliche Betreuung und komfortable Unterbringung. Das Ganze hat seinen Preis (185 Mark täglich), doch im Bedarfsfall zahlt das Sozialamt mit.
Nachdem wegen des kurzfristigen Termins zwei Wochen improvisierend überbrückt werden mußten, konnte Frau Funk ins Haus Riensberg einziehen. Es gefiel ihr so gut, daß sie jetzt, da ihre Tochter in Urlaub fahren will, wieder hier Unterschlupf fand. Gestern wurde sie als „1000. Gast der Kurzzeitpflege“ mit Blumen, Kaffeeklatsch und kleiner Ansprache begrüßt. Mit so einem Empfang hatte sie nicht gerechnet, ganz klein saß sie da in ihrem rosa Häkelkleid. „Doch“, sagt sie, „hier ist es schön.“ Was sie bei Ihrem letzten Aufenthalt den ganzen Tag gemacht hat? „Och alles. Singen und Gymnastik, da waren ja auch Frau Sommer und Frau Jüchter immer dabei.“ Sagts und versteckt sich vor der Presse wieder hinterm Obstkuchen.
Die Tochter springt ein und führt das Gespräch fort: „Das ist ja vor allem die Parkinson-Gymnastik, die ihr so gut tut.“ Ihre Mutter sei im Februar durch mehrere Krankenhausaufenthalte körperlich „ziemlich runter“ gewesen. Doch nach drei Monaten im Haus Riensberg sei es ihr so gut gegangen wie lange nicht. Das Laufen im weiträumigen Haus, das Bewegungstraining, all das habe dazu beigetragen, daß die Mutter agiler und selbständiger wurde. „Das ist auch für mich zu Hause eine große Erleichterung“, gesteht die Tochter. Das erste Mal seit Jahren verreist sie mit gutem Gewissen, es konnte schließlich immer was passieren, so allein, wie die Mutter zu Hause war. „Aber jetzt kann ich ganz beruhigt fahren“, freut sie sich. Hier aber wird Mutter Funk wach. Zu lange sollte der Aufenthalt im Seniorenheim denn doch nicht dauern. „Nein, zu Hause ist es schöner, da ist die Familie, das kann keiner ersetzen.“ dah
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